Donnerstag, 3. November 2011

Positionspapier Q103 Geschlechter- und Familienpolitik

Initiative i1465: Genderneutrale Gleichbehandlung des Berufs Hausmann und Vater/Pflegender - Hausfrau und Mutter/Pflegende mit anderen Berufen
 Ja: 51 (88%) · Enthaltung: 25 · Nein: 7 (12%) · Angenommen
Letzter Entwurf vom 17.02.2012 um 15:24:49 Uhr · Zeige alle Versionen (12)
Diese Bemerkungen zur Weiterentwicklung der Liquid Feedback Initiative gehören nicht zum Text des Positionspapiers:
08.02.2012: In Punkt 7 ist Anregung "Keine externen/staatlichen Standards in der häuslichen Erziehung" #1705 nun umgesetzt worden. Vielen Dank für den tollen Input!
14.02.2012: Nach zwei weiteren Anregungen per email und Direktansprache freue ich mich, den Text nochmal zu verbessern.
17.02.2012: Megarosa Dank an @megarosaelephant für den Hinweis auf den juristisch passenden Titel 'Erziehungsberechtigte' statt 'Eltern'.
Auch wurde eine weitere wichtige Ergänzung vorgenommen: »... wenn eine abgeschlossene Ausbildung vorliegt - oder zeitgleich mit der Betreuung absolviert wird - ... So kann der Beruf von - jeder Person - erlernt und ausgeübt werden.«
Wir freuen uns weiterhin über jede konstruktive Anregung : )
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Positionspapier und Grundlage für künftige Wahlprogramme:

Leitlinien zur Geschlechter- und Familienpolitik der PIRATEN

Gleichbehandlung des Berufs "Im Haushalt versorgende Erziehungsberechtigte/Pflegende" mit anderen Berufen, im Folgenden 'Assistent/in für Kinderbetreuung bzw. Pflege von Hilfsbedürftigen' genannt


Präambel

Die Piratenpartei Deutschland bekennt sich zur geschlechtsneutralen Gleichbehandlung sämtlicher Gender-Gruppen, zur persönlichkeits- und bedürfnisbezogenen Schul- und Ausbildung, die das Individuum in den Vordergrund stellt. Ein Grundanliegen der PIRATEN ist das Recht auf eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe.
Die PIRATEN wollen ein neues Selbstverständnis der Geschlechterrollen, hin zu gesellschaftlicher Gleichwertigkeit der Angehörigen aller Teilgruppen fördern. Dies lässt sich auf schulischer und beruflicher Ebene wie auch in der familienpolitischen Entwicklung und Gestaltung der Gesellschaft abbilden.
Die Grundlage für unsere heutige Gesellschaft ist der solidarische Gedanke, der sich im Generationenvertrag widerspiegelt. Dieser Generationenvertrag verschiebt sich zu Lasten der jüngeren Generation. Insgesamt stehen wir vor der Aufgabe einerseits trotz des demographischen Wandels die Sicherstellung der Pflege Hilfsbedürftiger sicherzustellen und andererseits jeder Generation die gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Dabei kommt der Generationenversorgung im häuslichen Bereich eine besondere Bedeutung zu.

1 geschlechterneutrale Gleichbehandlung

Die Anerkennung der Geschlechterneutralität bei Tätigkeiten im häuslichen Umfeld zur bedarfsgerechten Begleitung von Hilfsbedürftigen wie Säuglinge, Kleinkinder, Menschen mit körperlicher, geistiger und/oder kognitiver Behinderung sowie Pflegebedürftige oder Sterbende hängt zusammen mit dem Verständnis, dass diese Tätigkeiten gleichermaßen gut von Personen jeglichen Geschlechts übernommen werden können und sollen.
Dieses Verständnis auf gesellschaftlicher Ebene zu festigen, mündet in der Anerkennung der Gleichwertigkeit aller Geschlechter in Berufen, in diesem Zusammenhang seien vor allem Pflege und Kinderversorgung in Krippen, Kindergärten, Kitas, Schulen u.ä. sowie in der Altenpflege genannt. Zu der geforderten Gleichwertigkeit und Gleichachtung gehört auch die gleiche Anerkennung, wenn diese Tätigkeiten innerhalb der Familien, bzw. innerhalb eines Haushalts ausgeübt werden.

2 Gleichbehandlung aller häuslich begleitenden Tätigkeiten

Eine Gesellschaft, die die Gleichberechtigung aller Menschen ermöglichen will, braucht für ihre Menschen nicht nur eine geschlechtsunabhängige Gleichberechtigung im Beruf sondern ebenso die Gleichbehandlung der Berufe innerhalb und außerhalb des Beschäftigungsbereiches Familie.
Daraus erschließt sich der Ansatz, Ausbildungsberuf und Familientätigkeit als gleichwertig anzuerkennen und die häusliche Begleitung von Hilfsbedürftigen innerhalb der eigenen vier Wände auf dem Arbeitsmarkt als Beruf zu positionieren.
Derzeit schließt die allgemein von der Gesellschaft anerkannte Definition der Bezeichnung "Beruf" im Haushalt versorgende Erziehungsberechtigte im Bereich Kindererziehung für Neugeborene bis 3-Jährige und ggf. ältere zu versorgende Kinder ebenso wie im Haushalt versorgende Pflegende für kranke oder alte Angehörige aus. Das wollen wir ändern durch eine Schaffung von Gleichwertigkeit von häuslicher und Erwerbstätigkeit.

3 Gleichbehandlung von häuslicher Begleitung und Beruf

In den Zeiten des demographischen Wandels kommt der häuslichen Begleitung eine neudefinierte Rolle zu. Was einstmals aufgrund der festdefinierten Geschlechterrollen konservativ belegt war, wird heute in unserer aufgeklärten Gesellschaft von jungen Menschen als progressive neue Entwicklung erfasst.
Dabei existiert zum einen der Wunsch der Erziehungsberechtigten, sich stärker als in den letzten 20 Jahren wieder für die Begleitung der Kinder zu Hause einzusetzen, andererseits besteht wegen der immer noch unzureichenden Versorgung mit KITA- und Hortplätzen das Erfordernis, dass ein oder beide Erziehungsberechtigte zu gleichen Teilen die Betreuung der Kinder zu Hause übernehmen. Gerade im Bereich der unter 3-Jährigen stehen immer mehr Erziehungsberechtigte vor dieser Frage.
Im Gegensatz zur beruflichen Tätigkeit in Ausbildungsberufen ist in diesem Feld kein Konzept vorhanden, dieses Engagement zu Hause für die Kinder ausüben zu können, ohne dabei von einer Versorgerperson abhängig zu sein oder in die Regelungen nach HartzIV zu fallen. Das stellt eine grundlegende Benachteiligung der Erziehungsberechtigten ebenso wie der Pflegenden von Hilfsbedürftigen dar, bei der Gruppe der Erziehungsberechtigten stehen gerade Alleinerziehende vor einem oftmals unlösbar erscheinenden Problem.
Um die anfallenden Aufgaben zuverlässig zu erfüllen, ist der zeitintensive Einsatz der begleitenden Person, die sich im häuslichen Umfeld engagiert, erforderlich. Hierbei ist das Zeitfenster für eine Erwerbstätigkeit praktisch nicht oder nur im begrenzten Umfang vorhanden. Ohne die Anerkennung durch die Gesellschaft und deren direkte finanzielle Unterstützung derer, die die Aufgaben der Kinderbetreuung und Pflege der Hilfsbedürftigen zu Hause erfüllen, droht der soziale und gesellschaftliche Abstieg.
Ergänzend zu Entwicklung, Ausbau und Verbesserung bereits existierender öffentlicher Angebote setzen sich die PIRATEN dafür ein, dass 1:1 Kinderbetreuung und Pflege von Hilfsbedürftigen zu Hause als den Ausbildungsberufen gleichwertig anerkannt werden. Diese Anerkennung muss auf eine Weise stattfinden, die den Betreuenden und Pflegenden eine sichere Existenz gewährleistet und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.

4 Gleichberechtigung der beruflichen Erwerbstätigkeit mit dem Beruf Assistent/in für Kinderbetreuung bzw. Pflege von Hilfsbedürftigen

Um das in unserer Gesellschaft neue Selbstbewusstsein von Erziehungsberechtigten und Menschen, die sich bewusst für die Pflege von Hilfsbedürftigen zu Hause einsetzen zu unterstützen, fordern wir eine zeitgemäße Anerkennung dieser Tätigkeiten.
Die Gleichbehandlung aller Berufe, ob nun zu Hause oder außerhalb des Familienbereiches ausgeführt, hilft einerseits, die gesellschaftliche Rolle jedes Einzelnen wertzuschätzen, und andererseits die Qualität der Ausbildung für die Ausübenden zu fördern. Bisher werden viele Maßnahmen im Rahmen persönlicher Initiative angeboten, meist verbunden mit nicht unerheblichem privaten Kostenaufwand für die Erziehungsberechtigten oder Pflegenden.
Bei der Einführung eines Berufsbildes für Kinderbetreuung und Pflege von Hilfsbedürftigen im häuslichen Umfeld können diese Initiativen allen Teilnehmenden im Ausbildungprogramm qualitativ zugesichert werden.

5 Persönlichkeits- und bedürfnisbezogene, individualisierbare Ausbildung

Wir setzen uns dafür ein, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene die freie Wahl über ihre Bildungslaufbahn flexibel und individuell planen und absolvieren können.
Im konkreten Fall der Pflege von Hilfsbedürftigen und der Kinderbetreuung im häuslichen Umfeld bedeutet dies eine Ausbildung, die den Einzelnen darin unterstützt, seine Begabungen zu entfalten, Schwächen abzubauen und eigene Interessen und Fähigkeiten zu entdecken.
Dabei ist jede Betreuung individuell zu betrachten, jeder Betreuende hinsichtlich seiner Bedürfnisse wahrzunehmen. Ein Angebot an Bildungs- und Schulungsmaßnahmen kann Erziehungsberechtigten und Pflegenden von Hilfsbedürftigen im häuslichen Umfeld zur Verfügung gestellt werden. Erziehungsberechtigte können bei der häuslichen Versorgung ihrer Kinder parallel einen Ausbildungs- und Förderungsplan wahrnehmen, der ihnen bei den auftretenden Herausforderungen Hilfestellung geben kann. Für Pflegende, die hilfsbedürftige Angehörige im häuslichen Umfeld pflegen, gilt dies ebenfalls.
Die regional zu fördernde Ausbildung, Bildungs- und Schulungsmaßnahmen in den Berufen ist nach dem Grundssatz "Learning by Doing" umzusetzen, begleitet durch geeignete fachliche Unterstützung.

6 Ausbildung zur Hilfstellung mit Nutzen von Standards

Kinderbetreuung und Pflege von Hilfsbedürftigen im häuslichen Umfeld deckt im Berufsbild verschiedene Bereiche ab. Ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung und der Ausübung dieses Beruf ist das Wahrnehmen von Zusammentreffen mit anderen Kindern und deren festen Begleitern im 1:1 Betreuungsverhältnis. Jedes Kind nimmt an verschiedenen Angeboten teil. Für die Begleitenden ist das Programm ein wichtiger Bestandteil ihrer Ausbildung sowie auch bei der Unterstützung in der Ausübung des Berufs.
Schwerpunkte hierbei sind u.a.:

Allgemein

  • Alters- und gesundheitsbezogene Ernährungskurse unter Berücksichtigung von Krankheitsbildern
  • Naturbezogene Angebote, z.B. Waldausflüge etc.
  • Singen/Musizieren
  • Sensibilisierung auf erkennbare Nachhaltigkeit von Konsum im Rahmen des Themas Umweltschutz
  • aktives Basteln und Spiele zur Förderung gesellschaftlicher und sozialer Kompetenzen und anderes mehr zu den Themen gesundes Wachstum und Entwicklung
  • Kurse zum Umgang mit Krankheiten von Hilfsbedürftigen
  • Wahrung der Selbstbestimmung und Würde des Hilfsbedürftigen
  • Sensibilisierung über Gefahrenquellen für hilfsbedürftige Menschen (Teppichkanten / richtige Ausstattung Bad / WC etc.)

Speziell für Kinderbegleitung

  • frühkindliche Entwicklung (Spracherwerb, gewaltfreie Kommunikation, Bildung von Selbstbewusstsein)
  • Bewegungskurse für Erziehungsberechtigte/Kinder für das Erlernen wichtiger Bewegungsabläufe
  • Erziehungsberechtigte-Kind-Kurse mit Mit-Erziehungsberechtigten, bei Bedarf unter Leitung von (Kinder)-Psychologen
  • Erziehungsberechtigten-Gesprächsrunden, auf Wunsch unter Teilnahme von Pädagogen

7 Standardentwicklung und -kontrolle

Standards in Aus- und Weiterbildung werden in Gemeinschaftsarbeit der Erziehungsberechtigten mit Fördereinrichtung bei Einbeziehung erfahrener Erziehungsberechtigter und Pflegender getroffen. Zu den Fördereinrichtungen zählen u.a. Kinder- und Jugendeinrichtungen, Erzieherverbände, Erziehungsberechtigteninitiativen, schulübergreifende Lehrerverbände, um das breite Spektrum der individuellen Kompetenzförderung zu erfassen. Bei der Betreuung anderer Pflegebedürftiger könnten Vereine, Initiativen und Verbände der jeweiligen thematischen Zuordnung einbezogen werden. Außerdem sollen Ärzte, Ernährungswissenschaftler, Psychologen u.a. mitwirken, wenn entsprechender Bedarf besteht.
In der häuslichen Erziehung von Säuglingen und Kindern liegt die erzieherische Entscheidungsfreiheit bei den Erziehungsberechtigten. Die Erziehung findet autonom in den Familien statt. Familie ist in diesem Zusammenhang im Sinne der geschlechtsneutralen Gleichbehandlung sämtlicher Geschlechter-Gruppen aus dem Grundsatzprogramm der PIRATEN abgeleitet.
Die Ausbildungskomponenten sind, wie in 7 Absatz 1 beschrieben, unter Mitwirkung der Erziehungsberechtigten zu entwickeln. Sie haben die Freiheit, sich die Module der begleitenden Ausbildung nach ihren persönlichen Vorstellungen und Werten selbst zusammenzustellen. Damit ist zu gewährleisten, dass in Ergänzung zu bestehenden staatlichen Standards von Erziehungseinrichtungen Erziehungsberechtigte die Möglichkeit haben, individuelle Lebensentwürfe für ihr Kind umzusetzen.
Den Erziehungsberechtigten ist eine deutlich höhere Freiheit als bisher zuzuerkennen, in der es ihnen möglich ist, die Kinder innerhalb der Familie aufwachsen zu lassen, und dabei gleichzeitig unterstützende Förderung, inklusive finanzieller Förderung für eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe, wahrzunehmen.
Unabhängig von einer abgeschlossenen Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahme wird die Betreuung der Säuglinge und Kinder durch das Jugendamt, ebenso die Einhaltung von Pflegestandards durch zuständige Behörden, im derzeit gültigen gesetzlichen Rahmen zum Schutz der Säuglinge und Kinder weiterhin gewährleistet, um etwaige gesundheitliche Verwahrlosung frühzeitig erkennen und vermeiden zu können. Jugendämter und andere Behörden dürfen nur bei Verdacht auf echte Misshandlung einschreiten.

8 Finanzierung

Die Anerkennung des Berufs 'Assistent/in für Kinderbetreuung bzw. Pflege von Hilfsbedürftigen' durch die Gesellschaft muss eine Finanzierungsgrundlage beinhalten. Diese ist unter der Beachtung entfallender Kosten für die Kinderbetreuung und Pflege von Hilfsbedürftigen im häuslichen Umfeld gemeinschaftlich bzw. aus Steuermitteln zu finanzieren. Über eine Sonderregelung der Versteuerung kann der mögliche Wegfall der Freibeträge für Erziehungsberechtigte ausgeglichen werden.
Die Ausübung des Berufs 'Assistent/in für Kinderbetreuung bzw. Pflege von Hilfsbedürftigen' berechtigt zum Erhalt eines gesetzlichen staatlichen Mindestlohns als Ersatz oder Ergänzung staatlicher Arbeitsagenturleistungen. Dieser Mindestlohn ist bis zur Sicherstellung des Rechts auf eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe durch ein Grundeinkommen jährlich durch eine unabhängige Kommission neu zu vereinbaren.
Die zeitliche Definition der Ausübung im Beruf 'Assistent/in für Kinderbetreuung bzw. Pflege von Hilfsbedürftigen' ist nicht auf die Betreuung der eigenen Kinder beschränkt. Der Beruf kann auch in 1:1 Betreuung nicht eigener Kinder ausgeübt werden, wenn eine abgeschlossene Ausbildung vorliegt oder zeitgleich mit der Betreuung absolviert wird. Voraussetzung ist eine Kontinuität im Bindungsaufbau der Kinder, der in den ersten drei Lebensjahren von besondere Bedeutung ist. So kann der Beruf von jeder Person erlernt und ausgebübt werden.
Durch die Ausübung des Berufs entstehen der Erwerb eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld und ggf. Förderungsanspruch auf Fort- und Weiterbildung während oder nach Abschluss der Ausübung des Berufs 'Assistent/in für Kinderbetreuung bzw. Pflege von Hilfsbedürftigen'.
Die PIRATEN fordern die steuerliche und sozialversicherungsbezogene Gleichstellung des Berufs 'Assistent/in für Kinderbetreuung bzw. Pflege von Hilfsbedürftigen' mit anderen geschützten (Ausbildungs-)Berufen und den Erwerb von Rentenansprüchen.
Die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bürger und Bürgerinnen würde die genannte Thematik auflösen. Solange dieses Modell gesellschaftlich noch nicht umgesetzt ist, kann die Schaffung der oben genannnten Berufsbilder die Gleichberechtigung aller in diesem Feld arbeitenden Menschen sicher stellen.
___________________________________________________________________________________

Begründung

Rollenverständnis für "Im Haushalt versorgende Erziehungsberechtigte/Pflegende"

Ein berufstätiger Mensch macht in der Phase seiner Tätigkeit als "Im Haushalt versorgende Erziehungsberechtigte/Pflegende" eine Pause seiner beruflichen Laufbahn. Allzu oft wird die Wiedereingliederung aus der betreuenden Tätigkeit in die klassische Form des Berufs erschwert, weil eben diese Tätigkeit zu Hause als ‚Auszeit’ definiert ist, die auch im Lebenslauf nicht selten als Lücke interpretiert wird. Nicht zuletzt können viele Personen, vor allem Erziehungsberechtigte die eine leitende Position hatten, nicht in Ihren alten Job zurückkehren und werden gern wieder tiefer gestellt.

Umwälzende Veränderungen im familiären Strukturen und Rückgang der Geburtenrate

Die Statistiken der letzten Jahre weisen darauf hin, dass sowohl die Trennungszahlen von Familien mit Kindern steigen, vor allem in städtischen Umfeld, als auch die Form der Familie sich von traditioneller Ehe mit Kindern wandelt hin zu alleinstehenden Erziehungsberechtigten mit Kindern oder Trennungsfamilien, die sich zu neuen Patchworkfamilien zusammenfinden. Die Ehe mit der traditionellen Form von Versorger und Versorgten tritt immer mehr zurück. Gleichzeitig sinkt die Geburtenrate in gesellschaftlich besser angesehenen bzw. bezahlten Berufsgruppen vor allem bei Frauen immer noch, und das in zunehmendem Maße. Auch familienpolitische Programme wie das einkunftsabhängige Elterngeld für Eltern hat diesem Trend bisher nicht hinreichend entgegen wirken können. Ein Grund ist im so verstandenen Karrierebruch durch Erziehungszeiten zu sehen. Menschen, die sich beruflich verwirklichen wollen, müssen nach derzeitigem Verständnis des Wortes ‚Beruf’ davon absehen, diesen durch eine so verstandene ‚Auszeit’ zu unterbrechen oder gar abzubrechen.

Kompetenzrückgang durch geminderte Entwicklung von Bindungsfähigkeit in frühkindlicher Entwicklungsphase

Bisher definieren die Gesellschaft und der Staat die frühestmögliche Wiedereingliederung in das Berufsleben als besonders unterstützenswerte Aufgabe. Dabei werden bereits Säuglinge ab drei Monaten in Liegekrippen von ihren Erziehungsberechtigten abgegeben, damit die Erziehungsberechtigten dem Anspruch konventioneller Berufstätigkeit gerecht werden können. Dies widerspricht neuesten wissenschaftlichen Studien zufolge den entwicklungsgerechten Bedürfnissen von Säuglingen und Kleinkindern - und widerspricht einem gesunden Menschenverstand. Die traditionelle Politik fordert mehr Familie und Kinder, ohne jedoch die gesellschaftlichen Rahmenbindungen an eine moderne Arbeitswelt und veränderte Familienstrukturen (mehr Alleinerziehende, mehr Patchworkfamilen) angepasst zu haben. Die Folgen dieser missglückten Familienpolitik: Fehlende Bindungsfähigkeit, die sich später durch fehlende bzw. erschwerte Bildung von Bindungs- und Verantwortungskompetenzen auswirkt. Die gesellschaftlichen wie auch individuellen Folgen, die dadurch entstehen, ziehen nachhaltig Folge-Kosten für die Gesellschaft nach sich.

Staatliche Anerkennung der Erziehungstätigkeit von Erziehungsberechtigten

Auf die Tätigkeit für zu Hause voll erziehende Erziehungsberechtigte wird auch heute schon ein zeitlich anteiliger Rentenanspruch durch die Erziehenden erworben. Dies weist darauf hin, dass staatlicherseits die Tätigkeit "Im Haushalt versorgende Erziehungsberechtigte/Pflegende" auf dieser Ebene der anderer Berufsbilder gleichgesetzt wird. Bezahlung für diese Tätigkeit erwerben erziehende Erziehungsberechtigte jedoch nur in geringem Maße durch das zeitlich beschränkt gezahlte Erziehungsgeld oder aus vorangegangener Berufstätigkeit über das zeitlich gewährte 'Elterngeld', das anteilig zum vorangegangenen Nettolohn berechnet wird. Erziehungsberechtigten, die vorher nicht berufstätig waren, bleibt nur der Anspruch auf HartzIV. Erziehungsberechtigte ohne vorherige Berufstätigkeit mit Festanstellung rutschen damit in die Sozialstatistiken der Arbeitsämter. Eine Person, die beispielsweise aus dem Studium oder freiberuflicher Tätigkeit direkt in die Tätigkeit als "Im Haushalt versorgende Erziehungsberechtigte/Pflegende" wechselt, wird zum Sozialfall. Unabhängig davon, wie aktiv sie die Entwicklung und gesellschaftliche Ausbildung und Eingliederung des Nachwuchses gestaltet. Erziehungsberechtigte werden somit zum sozialen Abstieg degradiert. Es wird also differenziert zwischen staatlicher Förderung ehemals berufstätiger Erziehungsberechtigter und nicht berufstätiger. Das stellt eine gesellschaftliche Ungerechtigkeit dar, die auch vor Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens schon durch berufliche Gleichstellung behoben werden soll. Das gilt ebenso für alle Pflegenden von Hilfsbedürftigen.
Ein Blick nach Norwegen:
Frauen und Familie, 75% der norwegischen Frauen arbeiten zumeist Teilzeit, aber mit nur 15 Stunden/Woche hat frau/mann alle Ansprüche auf Rente und Arbeitslosengeld/Krankenkasse.

Links zu Studien und Statistiken zu diesem Thema findet Ihr hier

wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2011.2/Antragsportal/Q103

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen