Sonntag, 4. September 2016

Flixbus - Wer sich nicht wehrt, hat schon verloren

Gut zwei Wochen sind nun vergangen, seit Flixbus den mit uns geschlossenen Vertrag gebrochen, die Fahrt nach Berlin in Bad Nenndorf beendet und uns 40 Passagiere gegen unseren Willen einfach zurück nach Dortmund, statt wie gebucht nach Berlin, gebracht hat. In Dortmund mussten wir 1,5 Stunden warten, um dort 26 weitere Fahrgäste in demselben Bus, mit dem wir früh morgens schon einmal Dortmund verlassen hatten, mitzunehmen. Sechs Stunden längere Fahrtzeit hat 40 Menschen das gekostet, statt um 15 Uhr waren wir erst um 21 Uhr in Berlin. Das Unternehmen Flixbus hat hiermit in mehrfacher Hinsicht die Fahrgastrechte massiv und vorsätzlich gebrochen.
Hier mein Gedächtnisprotokoll der abstrusen Flixbus-Reise vom 14.08.2016: Klick hier drauf

Medien berichteten, zum Beispiel

Was ist seither passiert?

Am Tag nach dem Vorfall hatte ich sofort Kontakt zur Verbraucherzentrale aufgenommen. Die Mitarbeiterin, die mich netterweise zurückrief, wirkte auf mich jedoch so, als würde sie a) die Dimension, die dieser Fall zeigt, gar nicht erfassen und b) als sei sie wenig motiviert, die Verbraucherzentrale in diesen Fall zu involvieren.
Kurz gesagt: Das Angebot, mich für 20€ von einer Person beraten zu lassen, die mir am Telefon sagt, was ich denn überhaupt wolle, sie könne mir wenig Hoffnung machen, mit einer Fahrtgeld-Rückerstattung könne ich zufrieden sein, habe ich mir vorerst erspart.

Zwei Tage nach dem Vorfall, also am 16.08.2016, nachdem die Presse bereits ausführlich berichtet hatte, erhielt ich einen Anruf von der Krisenmanagement-Abteilung der Firma Flixbus. Die freundliche junge Dame entschuldigte sich im Namen des Unternehmens, für das sie arbeitet, für die Unannehmlichkeiten und sagte mir zu, dass die Fahrkosten erstattet würden. Sofern jemand ab Dortmund auf eigene Kosten mit der Bahn weiter gefahren sei, würden diese Fahrtkosten abzüglich des Ticketpreises erstattet. Man halte sich da selbstverständlich an europäisches Recht. Die Überweisung dauere aber ein paar Tage.

Auf meine erstaunte Reaktion über ihren Anruf sagte die Flixbus-Mitarbeiterin mir, das sei üblich so. Sie riefen alle Passagiere an, wenn es Probleme mit einer Fahrt gegeben hätte.

Seither ist nichts mehr passiert.

Ich nehme an, die Anrufe bei mir und mindestens einigen meiner Mitreisenden erfolgten, weil über die Öffentlichkeit großer Druck ausgeübt wurde? Vielleicht, um uns Fahrgäste zu beruhigen? Um uns Wind aus den Segeln zu nehmen? Uns stillzuhalten? Ich halte, solange ich nicht vom Gegenteil überzeugt werde, die Aussage "Wir rufen immer an, wenn es Probleme mit einer Fahrt gegeben hat" für hemmungslos übertrieben, wenn nicht sogar für eine Lüge.

Interessant wäre in diesem Zusammenhang jetzt, herauszufinden, wie viele Menschen nach anderen Negativ-Erlebnissen mit einer Fahrt vom Unternehmen Flixbus angerufen werden. Vielleicht ist es aber auch einfacher, zu eruieren, wie viele Menschen niemals einen Anruf dieser Art und eine Entschädigung erhalten haben.

Auf meine Nachfrage vom 1. September bestätigte mir der Großteil meiner Mitfahrenden, dass auch sie bisher weder Fahrtkosten, geschweige denn ihren Mehraufwand für eine Fahrkarte mit der Deutschen Bahn zurück erhalten hätten.

Ich weiß, dass vielen Menschen die Zeit, die Kraft und vielleicht auch der Mut fehlt, sich gegen solcherlei Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit Großkonzernen zu wehren. Deshalb übernehme ich die Initiative und handele damit auch für meine 40 Mitreisenden und allen in Zukunft betroffenen Menschen, die Fahrgastrechte-Brüche des Unternehmens Flixbus ertragen müssen.

Ich habe mich deshalb nun an das Eisenbahn-Bundesamt gewendet und dort Beschwerde eingereicht.


Seit 2013, dem Jahr in dem das EU-Fahrgastrechte-Kraftomnibus-Gesetz in Kraft getreten ist, nimmt das Eisenbahn-Bundesamt Beschwerden der Fahrgäste (offiziell) entgegen und ergreift Maßnahmen, die Fahrgastrechte gegenüber den Unternehmen durchzusetzen.

Das Eisenbahn-Bundesamt EBA ist eine selbständige deutsche Bundesoberbehörde und unterliegt der Aufsicht und den Weisungen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Eines ihrer "Werkzeuge" ist die Verwaltungsklage.

Flixbus darf sich jetzt warm anziehen. Das kommt davon, wenn ein Unternehmen mit Monopolstellung am Markt glaubt, es dürfe sich alles erlauben, nur weil es jede weitere Konkurrenz am Markt durch Übernahmen ausgeschaltet hat.

Und wenn sich ein*e Anwalt/Anwältin finden sollte, der/die genug Ahnung hat vom Thema Fahrgastrechte, und Interesse an diesem Fall hat, komme er/sie gern auf mich zu. Ich bin sehr interessiert daran, herauszufinden, ob es sich in diesem Fall nicht sogar um Nötigung handelt.


Mittwoch, 17. August 2016

Irre Flixbusfahrt - Wir sammeln Erfahrungsberichte über Flixbus. Kommentiere jetzt!

Wenn auch Du eine Geschichte mit Flixbus erlebt hast, dann teile sie bitte hier mit uns. Je mehr Erfahrungsberichte wir zusammentragen, desto besser können wir uns wehren.


Passagiere vor dem Flixbus, der zurück nach Dortmund fahren musste
Mir selbst ist am Sonntag, dem 14.08.2016 eine unglaubliche Geschichte passiert: Unser Busfahrer für die Fahrt nach Berlin hatte am Startort in Mönchen-Gladbach den falschen Bus genommen. Das fiel ihm kurz vor Hannover auf, und dann ist er mit 40 Passagieren an Bord einfach zurück nach Dortmund gefahren. Aus normalerweise 8 Stunden Fahrt wurden 14 Stunden. Um kurz nach 21 Uhr waren wir dann endlich in Berlin.

Kurze Zusammenfassung aus den WDR Nachrichten.

Mein Sohn und ich stiegen um 7.25 Uhr in Düsseldorf in den Flixbus Linie 030 ein, der pünktlich um 7.40 Uhr mit Ziel Berlin abfuhr. Auch in Dortmund stiegen weitere Fahrgäste ein, der Bus fuhr von dort um 9.20 Uhr pünktlich weiter.

Ich hatte noch vor Abfahrt in Düsseldorf die Bustoilette benutzt und den Fahrer darauf hingewiesen, dass weder Toilettenpapier noch Handwaschbecken-Wasser vorhanden war.

So weit - so gut. Die Fahrt verlief staulos und problemfrei. Um 12.00 Uhr hatten wir Hannover fast erreicht.

Und dann passierte etwas Merkwürdiges. Einer der beiden Busfahrer gab über den Lautsprecher Folgendes bekannt:

"Es ist leider etwas Blödes passiert. Wir haben den falschen Bus. Und wir fahren jetzt zurück nach Dortmund."

Ende der Ansage. Ich unterhielt mich gerade mit einem Sitznachbarn, der kein Deutsch sprach, und sich über meinen verdutzten Gesichtsausdruck wunderte. So übersetzte ich ihm den Text auf Englisch. Als der junge Mann mich nun seinerseits erstaunt ansah, lachte ich, und sagte "He's just kidding! What a funny guy." Da lachten wir beide.

In der nächsten Minute aber bemerkte ich, dass der Bus sich auf der Autobahnabfahrt befand. Ich schaute, von meinem Platz ganz vorn im Doppeldecker hatte ich ja gute Sicht, und entdeckte einen Autohof direkt bei der Abfahrt. "Ah", dachte ich, "er fährt den Autohof an", doch als der Bus dann links abbog, und ich vor mir das Schild "Autobahn Richtung Dortmund" sah, schwante mir Übles. Ich stand auf, und ging die Treppe herunter zu den beiden Busfahrern.

"Was machen Sie da?" fragte ich entsetzt.
"Wir fahren zurück nach Dortmund", erwiderte der Busfahrer.
"Das ist jetzt nicht Ihr Ernst!?!" stieß ich fassungslos hervor.
"Doch", war seine einsilbige Antwort.
"Warum??"
"Wir haben den falschen Bus, und deshalb müssen wir jetzt zurück nach Dortmund", antwortete der Busfahrer, und nahm die Autobahnauffahrt Richtung Dortmund.
"Wir sind kurz vor Hannover", entgegnete ich, "Lassen Sie uns wenigstens am Bahnhof in Hannover raus!"
"Das würde ich gerne", bedauerte der Busfahrer "aber ich habe die Weisung bekommen, direkt zurück nach Dortmund zu fahren."
"Das ist absurd!" Ich konnte es nicht fassen. "Das sind mindestens vier Stunden Umweg, völlig unnötig. Lassen Sie uns in Hannover raus."
"Nein, das geht nicht."
"Sagt wer?", fragte ich, "geben Sie mir die Nummer des Verantwortlichen bei Flixbus. Da kann doch nur ein Missverständnis vorliegen."
"Rufen Sie doch die Hotline an", war die lapidare Antwort.

Schnell war ich das Treppchen wieder hochgelaufen und bat meine Mitreisenden um Aufmerksamkeit.
"Alle mal herhören, wir haben ein Problem!"
Viele schliefen und wurden jetzt erst wach. Die, die wach waren, wendeten sich mir zu.
Ich schilderte in knappen Worten die Sachlage, und sofort machte sich ein Sturm der Entrüstung breit.
"Das geht doch nicht!"
"Wie kann das sein!?"
"Ich habe einen wichtigen Termin, ich muss unbedingt heute nachmittag in Berlin sein."
"Ich muss arbeiten!"
Alle redeten durcheinander.

"Ich bitte euch um Ruhe. Ich werde das klären", bat ich die aufgeregte Menge, und lief wieder runter zu den Busfahrern.

Dort standen nun auch zwei junge Männer, die keinesfalls zurück nach Dortmund wollten, und mit den Fahrern eine Diskussion begannen. Erfolglos.

"Sie können uns nicht zwingen, nach Dortmund zurück zu fahren", sagten wir, "halten Sie wenigstens irgendwo an, von wo aus wir weiter reisen können."

Der Busfahrer bog im nächsten Moment auf einen Parkplatz ab, auf dem ein Toilettenhäuschen stand und sonst nichts. Er hielt den Bus, und sagte "Bitte, dann steigen Sie aus."
"Wie, hier auf dem Parkplatz?" fragte ich entsetzt.
"Ja, Sie wollten doch raus, dann steigen Sie aus", entgegnete der eine Busfahrer.
"Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?" fragte ich um Fassung ringend. "Hier könnte ich nichtmal weiter trampen, weil das die falsche Autobahnseite ist. Abgesehen davon möchte ich nicht trampen. Ich möchte mit diesem Bus nach Berlin fahren, so wie ich es gebucht habe. Oder Sie setzen uns, die nicht zurück nach Dortmund wollen, an einem Bahnhof ab. Bis Hannover sind es keine 30 Km mehr".

Auch der Subunternehmer Herr A., der Chef der beiden Busfahrer, den mein Mitreisender Thomas umgehend angerufen hatte, gab auf die konstruktiven Lösungsvorschläge unsererseits keine andere Antwort als "Tut mir leid, das geht nicht anders. Sie fahren jetzt zurück nach Dortmund".

"Ich habe soeben die Fahrgastrechte auf der Flixbusseite gelesen. Das dürfen die gar nicht", sagte Timo, ein weiterer Mitreisender, zu mir, und zeigte mir die Passagen, die uns betreffen.

Nachdem Herr A. das Gespräch mit Thomas einfach durch Auflegen beendet hatte, rief ich Herrn A. an.
"Guten Tag Herr A., der Passagier Thomas hat Ihnen eben drei machbare Lösungen vorgeschlagen. Wie kommen Sie dazu, die Fahrgastrechte zu missachten und einfach zu behaupten, es ginge nicht anders, als die von Ihnen gewählte Lösung, und dann dreisterweise einfach aufzulegen?"

"Was wollen Sie? Ich habe Ihnen erklärt, dass es keine Busse in Dortmund gibt. Es geht nunmal nicht anders."
"Wir befinden uns kurz vor Hannover. Von dort können alle Passagiere, die Termine haben, weiter reisen. Und Sie wollen uns gegen unseren Willen zurück nach Dortmund karren? Wissen Sie, was Sie da tun?"
"Tut mir leid, das geht nicht anders. Sie fahren jetzt zurück nach Dortmund", erwiderte Herr A. desinteressiert.
"Ich weiß, es ist Sonntag", sagte ich, "Sie müssten jetzt etwas organisieren, und auch sicher ein paar Euro in die Hand nehmen, um einen Ersatzbus zu organisieren. Aber das ist ja wohl Ihre Pflicht als Busunternehmen. Wir haben einen Vertrag mit Ihnen, den können Sie nicht einfach auslegen, wie Sie wollen, nur weil es leichter für Sie zu sein scheint."
Mittlerweile platzte mir fast die Hutschnur, ich riss mich sehr zusammen, um ruhig zu bleiben.
"Herr A., wenn Sie mich gegen meinen Willen zurück nach Dortmund fahren, verklage ich Sie, und diese Lösung wird weit teurer als das, was Sie durch Ihre Idee versuchen einzusparen."
"Ja, dann verklagen Sie mich doch", sagte Herr A. fast amüsiert, bevor er das Gespräch durch Auflegen beendete.

Mein Sohn hatte derweil die Polizei angerufen. Die sagte ihm, das sei zivilrechtlich alles sehr strittig, aber sie könnten nichts machen, da der Tatbestand Entführung ja nicht zuträfe, weil man uns angeboten hat, am Autobahnparkplatz auszusteigen.

"Was machen wir denn jetzt?" fragte der eine Busfahrer den anderen, etwas hilflos, denn er sah durchaus die Logik in den von uns vorgetragenen Vorschlägen.
"Ach, egal", rief der zweite Busfahrer entschlossen, "Mir reicht es jetzt, wir fahren weiter!"
Gesagt, getan, und schon waren wir wieder auf der Autobahn. Richtung Dortmund.

Ich fühlte mich machtlos, in dem Moment, meiner Freiheit beraubt.

Ich wollte nicht zurück nach Dortmund. Es gab weder einen technischen Defekt, noch höhere Gewalt, keinen Unfall, gar nichts. Wir 40 Passagiere sollten die Unfähigkeit des Unternehmens Flixbus auf unserem Rücken austragen? Was für eine Dreistigkeit. Kein Herr A. der Welt kann uns so etwas ohne weitere Folgen zumuten. Challenge accepted.

Ich ging hoch, zu den anderen, und schilderte den Verlauf der Gespräche. Als alle realisierten, dass wir einfach nicht ernst genommen und gegen unseren Willen nach Dortmund zurück gebracht werden, stieg der Unmut. Zu recht. Um einen Aufruhr zu vermeiden, schlug ich vor, dass wir uns zusammen tun.
"Ich werde klagen", kündigte ich an, "und wer möchte, kann sich mir anschließen. Bitte tragt eure Kontaktdaten auf die Liste ein, die mein Sohn gleich herumgibt. Dann werde ich euch anschreiben und auf dem Laufenden halten."

Alle, wirklich alle 38 Passagiere plus mein Sohn und ich, trugen sich ein. Ich habe die Liste hier zu Hause. Aber dazu später.

Nach gut zwei Stunden Fahrt bogen wir um 14.15 Uhr auf den ZOB Dortmund ein, dem Busbahnhof, den wir am selben Tag um 9:20 Uhr verlassen hatten.

Die Journalistin der BILD macht Interviews vor Ort
Ich hatte zwischenzeitlich Kontakt zur Presse aufgenommen. Die Journalistin der BILD Düsseldorf/Dortmund, Dorothea Schmitz, war bereits auf dem Weg und traf kurz nach unserer Ankunft am Busbahnhof Dortmund ein.

Sie interviewte verschiedene Passagiere, die vor dem Doppeldeckerbus auf die Weiterfahrt warteten. Etwa 10 Personen waren jedoch schon eigenständig zum Bahnhof gegangen, um ihre Reise, auf eigene Kosten, mit der Deutschen Bahn fortzusetzen.
Ich hatte währenddessen Fotos gemacht, um dokumentieren zu können, was wir erleben.

Später wird der Pressesprecher von Flixbus, Gregor Hintz, fälschlich behaupten, es sei ein Ersatzbus dort gewesen, in den wir umgestiegen seien.
Das ist unwahr. Zu keiner Zeit haben die 40 Passagiere der Linie 030 den Bus gewechselt. Richtig dagegen ist, dass wir mit exakt demselben Bus nach anderthalb Stunden Aufenthalt in Dortmund und der Aufnahme von 26 neuen Passagieren weiter nach Berlin fuhren, wo wir um 21.00 Uhr am ZOB ankamen. Viele Zeitungen haben bedauerlicherweise die Fehlinformation des Herrn Hintz nicht verifiziert, und haben seine falsche Version verbreitet. 

Einige der Passagiere hatten nicht genug zu essen und manche auch einfach nicht das Geld, um etwas an den Imbissständen zu kaufen. Doch es gab keine Getränke oder Snacks von Flixbus. Auch dies ist ein klarer Verstoß gegen die Fahrgastrechte.

"Ich laufe mal schnell zum Supermarkt, Wasser für alle holen", sprach mein Sohn mich an. "Die Leute müssen doch was trinken!"
Und so kam es dazu, dass die Passagiere wenigstens von uns notdürftig versorgt wurden.

Iassin (11) zeigt auf den Bus, der ohne uns früher nach Berlin fährt. 
"Schau mal", stupste mich Iassin, der elfjährige alleinreisende Junge an. "Da steht noch ein Bus nach Berlin".
Tatsächlich. Etwa 20 Meter entfernt stand ein weiterer Bus mit dem Ziel "Berlin", die Linie 031.
Wenige Minuten später machte sich dieser Bus auf die Reise. Ohne uns. Wir mussten eine weitere Stunde auf unsere Abfahrt warten.

Drei minderjährige alleinreisende Kinder, 11, 13 und 14 Jahre alt, hatten wir an Bord. Der elfjährige Iassin war, als die Nachricht kam, sehr verzweifelt, da er seine Mutter erst nicht erreichen konnte. Mein Sohn hat sich seiner angenommen, und so ging es Iassin bald wieder besser. Doch die dreizehnjährige Joana (Name geändert) war, zurück in Dortmund, nervlich so fertig und so aufgelöst, dass sie die Reise nicht fortsetzen konnte. Sie ließ sich von Freunden abholen.


Wie steht es bei 80% Marktanteil eigentlich um den Verbraucherschutz?

Flixbus sendete uns, während wir noch in Dortmund standen, eine SMS, in der das Unternehmen uns als Entschädigung eine europaweite Freifahrt anbietet. Keine*r meiner Mitreisenden, mit denen ich bisher geredet habe, hat Interesse daran gezeigt, eine lange europaweite Freifahrt mit Flixbus anzunehmen. Im Gegenteil, einige fühlten sich durch dieses Angebot im Hinblick auf unsere Erfahrung verhohnepiepelt und billig abgespeist. Die Rückzahlung der Fahrtkosten ist laut Fahrgastrechte in so einem Fall ohnehin vorgeschrieben.

Derzeit lasse ich von Juristen prüfen, wie die Sachlage sich unter juristischen Aspekten darstellt, um eine eventuelle Klage gut vorzubereiten. Außerdem werden wir mit der Verbraucherzentrale in Kontakt treten, um auch dort einmal die grundsätzlichen Fragen des Verbraucherschutzes im Zusammenhang mit großen Busunternehmen zu besprechen.

Wenn auch Du eine Geschichte mit Flixbus erlebt hast, dann teile sie bitte hier mit uns. Je mehr Erfahrungsberichte wir zusammentragen, desto besser. Gemeinsam können wir uns besser wehren.

Klicke hier, wenn Du wissen willst, wie es weiter geht: Nächster Bericht folgender Ereignisse

Herzliche Grüße,
Christiane Schinkel
aus Berlin



P.S.: Bitte habt Verständnis, dass ich hier nur Flixbus-Erfahrungsberichte freischalte.

Donnerstag, 9. Juli 2015

Nochmal von vorn: Meine Idee - Mein Antrag.

Es gibt ein Thema, das mich besonders bewegt, seit ich 1996 Mutter geworden bin:

Die finanzielle und soziale Ungerechtigkeit, die unsere Gesellschaft vor allem Alleinerziehenden, und damit zum größten Teil leider immer noch Frauen, zumutet.

Schon 2011 habe ich einen Lösungsansatz dazu formuliert. Mittlerweile hat sich zum Glück bereits viel bewegt. Es gibt zum Beispiel neue Erkenntnisse darüber (Artikel zur Untersuchung des WSI/Hans-Böckler-Stiftung), welche Ursachen für die Armut in gerade dieser Bevölkerungsgruppe verantwortlich sind. Das Thema gewinnt länderübergreifend an gesellschaftlicher Akzeptanz. Das ZDF hat in seiner Sendung "Die Anstalt" auf humorige Weise dargestellt, wie sich die Lebensläufe von Mann und Frau und damit die Einkommen im Laufe des Lebens entwickeln. Ich habe mich darin bedauerlicherweise wiederfinden können. Und du, liebe.r Leser.in?

Nun sind also kreative Lösungsideen gefragt.

Eine davon lege ich hier auf den Tisch. Ihr findet in diesem, von mir am 10.11.2011 publizierten Text, zwei Anträge, die ich für die PIRATEN entwickelt und zum Bundesparteitag 2011 in Offenbach eingereicht habe. Beide wurden damals nicht behandelt. Heute, vier Jahre später, ist das Thema nicht weniger aktuell. Deshalb mache ich nun einen neuen Vorstoß und reiche den PA150 als Positionspapier für den Bundesparteitag 2015 in Würzburg ein.

Den Q103 nehme ich mir noch einmal vor. Es finden sich darin Punkte, die der weiteren Ausarbeitung bedürfen. Deshalb baue ich auf eure kritischen und konstruktiven Anmerkungen! Sagt mir, welche Schwachstellen euch auffallen. Nur so kann ich die grobe Idee weiter ausarbeiten und zu einem Vorschlag werden lassen, mit dem wir politisch weiter arbeiten können.

Ich wünsche mir von euch ausdrücklich auch Kritik zu diesem Entwurf, sofern diese Kritik konstruktiv geäußert wird. Ich bitte um Verständnis, dass ich mir vorbehalte, Kommentare mit ausschließlich destruktiver Kritik nicht freizuschalten.

Viel Spaß beim Lesen

P.S.: Der von mir sehr geschätzte Eberhard Zastrau hat mir damals mit seinen Bedenken und inhaltlicher Kritik und formalen Korrekturen bei der Ausarbeitung meiner Idee sehr geholfen. Für seine konstruktive Hilfe bei der Entwicklung bin ich ihm noch heute sehr dankbar.


____________________Original-Text von November 2011_________________________________
Da ich mich nicht in der Lage sehe, in 140 Zeichen Twitterbotschaften meine Positionhinreichend zu erläutern, ist dieser Text entstanden. Über Kommentare und Diskussion freue ich mich! Danke für Euer Interesse : )  

Die moderne Frau - beruflich unabhängig - kinderlos?
Bis ich 28 Jahre alt war, war Familienplanung eine Horrorvorstellung für mich, die Muttersein mit Abhängigkeit und Reduzierung auf ein Leben ohne ein Leben als freie Frau verband. Infolgedessen hatte ich mich als 'Kinderhasserin' inszeniert, vor meinen Chefs und Kollegen, innerhalb meines Freundeskreises. Ich hatte stets die lustigsten Kinderwitze auf Lager. Niemand wäre je auf den Gedanken gekommen, dass ich mal Mutter werden würde. Auch ich nicht. Bis ich 28 wurde.

Als ich meinem Lebensgefährten mitteilte, dass ich mir mittlerweile schon, also unter Umständen, irgendwann mal, vorstellen könnte, dass ich mal schwanger werden könnte, also natürlich nicht jetzt, vielleicht mal in zwei drei Jahren, schaute er mich an, als ob grüne Schneeflocken vom Himmel fielen.
Wir redeten darüber und ich stellte ihm meine Vorstellungen dar: Dass wir uns gemeinsam um das Kind kümmern, und dass ich in der Zeit, in der ich zu Hause bleiben müsste, solange das Kind noch zu klein ist, um es in andere Hände zur Betreuung zu geben, dafür einen Ausgleich von ihm haben möchte, wenn er weiter wie bisher arbeitet und Geld verdient. Damit ich mich nicht für geringe Ausgaben wie Telefongespräche oder anderes Persönliches rechtfertige müsse.

Am nächsten Tag äußerte er einen Zweifel an seiner Liebe. Er wusste es einfach nicht mehr so genau, ob er mich liebte. Drei Tage später übernahm ich die Wohnung einer Freundin und zog aus. Nach mehr als zehn Jahren war die Beziehung beendet.
Er brauchte etwa ein halbes Jahr, um sich an den Gedanken, dass er auch Kinder haben möchte zu gewöhnen und mich wiederhaben wollte. Allerdings forderte er absolute Unabhängigkeit, d.h. ich müsste für meinen kompletten Lebensunterhalt selbst aufkommen. Das ist modern, so macht man das heutzutage. Dafür gibt es Krippen, in die man seine Kinder bringen kann, damit sich die Frau der modernen Verantwortung des Geldverdienens stellen kann.

Tatsächlich hatte ich das Selbstbewusstsein, zu glauben, dass ich natürlich wie bisher meine 100.000 jährlich reinbringe. Talentiert und fleißig wie ich bin, hegte ich keinen Zweifel daran, dass das alles schon wird. Ein guter Freund von mir sagte mal, dass er glaubte, das Einzige was sich ändern würde, wenn er Kinder hätte, wäre, dass sie fortan drei Plätze im Kino nehmen müssten.

Und so kam die Ernüchterung doch ziemlich schnell. In der Schwangerschaft nahm ich 29 Kilo zu, weil mein zarter Körper sich alles nahm, was er bekam. Ich konnte in den letzten Monaten nicht mehr wirklich Gehen und selbst Stehen fiel mir zum Schluss schwer. Aber natürlich bin ich bis zur Mutterschutzfrist zur Arbeit gegangen.

Die moderne Frau - mit Kind - beruflich unabhängig? 
Als ich dann fünf Tage nach der Geburt nach Hause kam, durfte ich wegen fast geplatzter Nähte nicht aufstehen, ich war zwei Wochen ans Bett gefesselt. Meine Mutter kam, zum großen Glück, und übernahm die Pflege von mir und dem Säugling. Der Vater hatte auswärts zu tun, neben seiner Firma hatte er gerade noch ein Abendstudium begonnen und konnte nur abends, ab 22.00 Uhr, anwesend sein. Ich fühlte mich an meine Kindheit erinnert, modern kam mir das alles nicht vor.

Zwei Wochen nach der Geburt, ich durfte endlich aufstehen, hatte ich meinen ersten geschäftlichen Termin. Zum Glück hatte ich jemand gefunden, der in der Zeit mein Kind im Kinderwagen herum schob. Nachdem ich aber erstaunlicherweise nicht sofort an meine beruflichen Erfolge anknüpfen konnte, und meine Ersparnisse nach fünf Monaten für Miete, Kostgeld, Telefon, Versicherungen etc aufgebraucht waren, drang ich auf eine Umverteilung der Verantwortung innerhalb der Familie.

Aber der Vater bezog sich auf unsere Abmachung, Geld wollte er eigentlich nicht zahlen. Es sollte ja auch ein Anreiz bleiben, mich wieder in die Arbeitswelt zu integrieren. Das fiel mir jedoch schwer, da mein Kind mich die ersten drei Monate täglich mit Schreierei, bis zu 3 Stunden am Stück, auf Trab hielt, und nächtlich 3-4 Mal weckte. Auch die wertvolle Literatur 'Jedes Kind kann schlafen lernen' hat mir nicht viel weiter geholfen. Und so wie eine Mitmutter es mir vormachte, 'nämlich einfach schreien lassen, irgendwann ist es still', wollte ich es dann doch nicht nachmachen.

Ich steckte in einem Dilemma. Die Gesellschaft forderte von mir, mich beruflich einzusetzen, aber meine ehemalige Kinderhasserei, mit allen Vorurteilen über Bedürfnisse von Kindern, hatte sich gewandelt. Mein Kind hatte eine fast 5 mm dicke Schorfschicht auf dem Kopf, Haare konnten da gar nicht wachsen, extreme Nahrungsmittelunverträglichkeit und eine Form von Hyperaktivität. Es konnte nicht ein paar Minuten alleine sein, ohne dicke Tränen zu weinen. Ich hätte es schreien lassen können, natürlich, aber da bin ich lieber meinem Gefühl gefolgt. Also trug ich es 15 Monate an mir. Immer, ständig. Glücklicherweise hatte ich in der Schwangerschaft das Buch Auf der Suche nach dem verlorenen Glück: gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit (Originaltitel: The Continuum Concept) von Jean Liedloff gelesen. Und ich wagte, meinen Gefühlen zu folgen.

In meinem Umfeld waren alle dagegen, dass ich mein Kind nicht schon früh in die Betreuung gebe. Meine Eltern hatten Sorge, dass ich den Wiedereinstieg nicht finde, der Vater meines Kindes machte sich Sorgen um die finanzielle Seite und Kollegen konnten es einfach nicht verstehen, weil sie es doch auch gemacht hatten, alle machten es so, so musste es doch richtig sein.

Aber ich verweigerte mich, nahm mir ein junges Mädchen zur Hilfe, die etwa 2-3 Mal in der Woche drei Stunden auf mein Kind aufpasste, wenn ich arbeiten wollte. Sie schob es nach dem Stillen im Park herum und kam pünktlich zum nächsten Stillen wieder. Meist schoss mir die Milch schon ein, wenn sie etwa 50 m vom Haus entfernt war, obwohl ich es gar nicht wissen konnte. Auf diese Weise vermied ich, dass mein Kind weinte, wenn es von mir wegging. Es war eine tolle Art der Lösung, für uns beide, und gerade ausreichend. Früher hatte man das so, damals, als es noch Familienverbände gab.

Ich bin jeden Tag mit dem Kind mehrere Stunden spazieren gewesen, mein neuer Bekanntenkreis bestand aus Müttern und Vätern, wir trafen uns täglich am Spielplatz, besuchten uns gegenseitig wegen der Kinder. Gleichzeitig nahm ich an Krabbelrunden, Kinderturnen, Kinderschwimmen und allem teil, was sich für Kleinkinder bot. Und es war toll: sobald ich mein Kind absetzte, krabbelte es auf die anderen Kinder zu und spielte. Solange ich in der Nähe blieb, war alles in Ordnung. Ich hatte viel Gesprächsstoff mit den anderen Eltern, und wir gaben uns gegenseitig gute Tipps.

Als ich einmal auf einer Bank am Spielplatz ein Gespräch führte über den Stuhlgang der Kinder, wusste ich, ich war angekommen in den üblen Witzen meiner Vergangenheit. Wider Erwarten war es aber interessant, und die Antworten, die ich auf mein Problem erhielt, haben mir geholfen. Heute weiß ich es besser: auch Gespräche über Kinderkacke sind wichtig und die Leute die sie führen, sind nicht beschränkt oder doof.

In den folgenden Monaten änderte sich mein Leben und meine Einstellung sehr. Ich fing an, mich um Ernährung zu kümmern, kaufte bereits in der Schwangerschaft schon Bio-Lebensmittel auf dem Markt, achtete auf frische Zubereitung. Mit der Lebensmittelunverträglichkeit meines Kindes, keine Milchartikel, kein Hühnerei, war es mir unmöglich geworden, im Supermarkt einzukaufen. Das erste Mal in meinem Leben achtete ich auf die Inhaltsstoffe. Ich hatte spontan selbst das Interesse verloren, all die Dinge zu essen, die ich bis dahin gern konsumiert hatte. Zum Glück machte damals genau zum passenden Zeitpunkt ein Bioladen in meiner Nähe auf. Ich fing an zu kochen. Das hatte ich, als moderne Frau, immer vehement abgelehnt. Und: es machte Spaß und schmeckte viel besser als Restaurantessen und Fertigkrams.

Mit 15 Monaten gab ich mein Kind in einen Kinderladen. Privat organisiert mit Elterninitiative, für 280 DM im Monat, plus Putzdienste und Essen kochen. Mein Kind durfte das normale Essen leider nicht essen, aber die Elternschaft hat sich bereit erklärt, das zu berücksichtigen. Mir war es angenehm, dass mein Kind regelmäßig in Gesellschaft anderer Kinder kam, allerdings waren mir die Zeiten zu lang. Deshalb holte ich es immer nach dem Mittagessen ab, damit ich es zu Hause zum höchst nötigen Mittagsschlaf bringen konnte. Diese 45 Minuten hören sich vielleicht vernachlässigbar an und man würde meinen, das Kind würde dann einfach eher ins Bett gehen, wenn es den Schlaf mittags nicht bekommt, aber Tatsache war, dass der Rest des Tages umso anstrengender wurde, wenn das Kind unausgeschlafen und überdreht war.
Hier musste ich mich der Kritik der Erzieher stellen, die wollten, dass alle Kinder das Gleiche machen. Auch die Tatsache, dass ich mein Kind erst nach dem Frühstück brachte, weil ich die Unruhe dort einfach unerträglich fand, führte zu Kritik des Erzieherteams. Da ich spürte, dass mein Kind die Ruhe nötiger hatte als die Gleichschalterei in der Gruppe, setzte ich mich trotz des Gefühls des Andersseins durch. Heute weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war.

Bevor ich Mutter wurde, war ich ein großer Fan von ständig laufender, gern auch lauter Musik. Das hörte abrupt auf, nachdem das Kind da war. Da ich bei dem Kind massive Unruhe wahrnehmen konnte, wenn eine Beschallung stattfand, verzichtete ich auf die Geräuschkulisse. Wahrscheinlich hätte die Empfindlichkeit des Kindes auch aufgehört, so wie bei vielen Kindern zu beobachten, wenn sie einfach dran gewöhnt werden. Ob das gut ist, wage ich hier laut zu bezweifeln. Die ständige Reizüberflutung durch Menschenmengen in Kinderhorts, durch ständig laufende DVD-Player, Radios und Fernseher in den Familien, trägt meiner Ansicht dazu bei, die Konzentration der Kinder zu stören. Mittlerweile weiß ich, dass ich nicht alleine bin mit dieser Meinung, denn es gibt heutzutage genug Studien, die das belegen, und in den Schulen in denen ich heute Kinder unterrichte, ist dies mehr als offensichtlich.

Als die Grundschullehrerin mich Anfang der zweiten Klasse aufforderte, mein Kind mal beim Jugendamt vorzustellen und auf Begabung testen zu lassen, war ich nicht sehr interessiert. Ich wusste um die Begabung meines Kindes, wozu also testen? Ich bin ihrem Rat dennoch gefolgt, und die Ergebnisse der Tests waren eindeutig.  Interessant war der Rat der Beraterin, nämlich mein Kind unbedingt in den Schulhort anzumelden. Es müsse unter Kinder, müsse lernen, sich durchzusetzen, Ellenbogen zu entwickeln, soziale Kompetenzen zu erwerben. Ich war bereit, das zu glauben, und war auch schon im Hort, um mein Kind dort anzumelden. Allerdings hegte ich, wie auch schon früher, Zweifel darüber, ob es wirklich sinnvoll ist. Als ich die Grundschullehrerin um ein Gespräch bat, riet sie dringend davon ab: das Kind bräuchte Ruhephasen, und Ellebogenkompetenz sei das Unnützlichste, was man Kindern heutzutage abfordere. Und so war es ja auch. In den Hort ist er nicht gegangen. Stattdessen habe ich dafür gesorgt, dass er mindestens dreimal die Woche mit Freunden verabredet war, zum Spielen. Frühförderung hat er durch die Schule erfahren, Schach, Knobeln für Pfiffige, Chinesisch, alles in spielerischem Rahmen in AGen nach dem Unterricht. Zu Hause habe ich Bücher bereitgestellt, Massen an Büchern, anfangs habe ich viel vorgelesen.

Wenn mein Kind aus der Schule kam, war ich zu Hause. Nachmittags stand ich zur Verfügung, es hier und dorthin zu bringen, oder seine Freunde zu bewirten. Kinder, die zu Hause nicht essen wollten, liebten meine Gerichte, mein selbstgebackenes Brot war beliebter als Kuchen. Ist es heute noch.

Die moderne Frau - mit Kind - beruflich abhängig?
Mit zweieinhalb Jahren musste ich die Betreuungszeiten verlängern. Ich machte eine Fortbildung und war acht Stunden am Tag außer Haus. Nach dem Kinderladen holte eine Freundin das Kind dreimal die Woche nach dem Mittagessen ab. Mittagsschlaf in der Kita war durch den Unruhepegel nicht möglich. Die Freundin konnte ab dem Zeitpunkt nur noch Ruhephasen durchsetzen, schlafen konnte das Kind nicht mehr. Umso anstrengender waren die Nachmittage oft. Ab diesem Zeitpunkt, als das Kind 'wegmusste', gab es regelmäßig Tränen bei der Verabschiedung. Keine schöne Sache finde ich, aber es ging nicht anders. Ein übriggebliebener Restarbeitslosigkeitszeitanspruch aus früheren Jahren ermöglichte mir eine Weiterbildung, mit festem monatlichen Ausgleich, ich musste es wollen. Ablehnung wäre nun wirklich dumm gewesen.
Nach der Weiterbildung wurde ich direkt von der größten Internetagentur in der Stadt angeworben. Ich sollte die Abteilung Online Advertising aufbauen und leiten. Ich stimmte zu und verhandelte eine 30-Stunden-Stelle, die ich erfolgreiche führte, bis eines Tages junge Kollegen, Frauen übrigens, anfingen mich zu mobben. Sie waren der Ansicht, ich sei zu wenig anwesend. Glücklicherweise entschieden sie, die Firma zu verlassen, und ich gab dennoch dem psychischen Druck nach, und erhöhte auf 35 Stunden.

Ab sofort war ich 45 Stunden in der Woche, wobei ich die Fahrtzeiten mitrechne, außer Haus. Fremdbetreuung war mehr als nötig. Glücklicherweise konnte ich mein Kind mit drei Jahren in einen Waldorfkindergarten bringen. Die Kulturpflege der Ruhe und Kreativität tat dem Kind äußerst gut. Auch bekam ich einen Platz in der Nachmittagsgruppe, die bis halb vier betreute. Danach sprang eine Freundin als Kinderfrau ein. Für mich persönlich war das eine gute Zeit, doch stellte ich fest, dass sie gleichermaßen zermürbend war. Denn nach der Arbeit stand ich immer unter Druck, konnte die Dinge nicht so regeln, wie ich es gewollt hätte. Zu der Zeit gab ich etwa 600 DM für Kinderbetreuung aus.
(Anm. d. Autorin: seit dieser Zeit, Mitte 2001, zog ich aus und war ab dann alleinerziehend)

(2002) Und dann stieg ich aus. Aus dem System. Ich hatte Glück. Eine Abfindung und mein ehemals hohes Gehalt ließen mich das gut überstehen. Aber schon da dachte ich, wie nur sollte das eine Bäckereifachverkäuferin oder eine Altenpflegerin schaffen? Unmöglich. Die sind gezwungen, im Rad weiterzulaufen. Fremdgesteuert durch den Anspruch der Konsumgesellschaft. Die Eltern und Kinder kommen dabei zu kurz.

Als ich mein Kind mal fragte, wie es die Zeit im Kinderladen, die Zeit vor dem Waldorfkindergarten, in Erinnerung hätte, also welches Gefühl oder welches Bild auftaucht, das sagte es "Allein. Blau." Auf meine Nachfrage konkretisierte es: "Ich stehe allein mitten im Raum. Und es ist kalt." Und im Kindergarten? "Im Kindergarten ist es schön, gemütlich fühlt sich das an."

Als mein Kind 12 war, hieß es, jetzt solle ich mir wieder einen festen Job suchen, es sei groß genug und könne auch allein zu Hause sein. Das bezweifle ich nicht. Ich bezweifle allerdings, dass es hilfreich gewesen wäre. Was machen Kinder, die alleine sind? Die, die mir auf diese Weise zugeraten haben, lassen ihre Kinder stundenlang an den Computer oder TV. Wenn sie es nicht erlauben, machen die Kinder es heimlich. Ich bezweifle den gehirnphysiologischen Entwicklungsnutzen solchen Verhaltens. Also habe ich mich weiter als Freie Mitarbeiterin durchgeschlagen. Meine monatlichen Kosten habe ich so runtergeschraubt, wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Es gab Unsicherheiten und Engpässe. Auf Hartz4 habe ich stets verzichtet. Es ging immer irgendwie so. Zum Glück habe ich auch meine Eltern, die mir in schwierigen Zeiten ausgeholfen haben.

Moderne Eltern - beruflich unabhängig! 
In dieser Zeit entwickelte ich die Idee vom Beruf 'Hausfrau und Mutter'. 2002 ließ ich mir eine Visitenkarte mit diesem Jobtitel drucken. Mittlerweile sehe ich ein, dass es natürlich nicht nur Frauen sind, die in solcher Weise unterstützt werden sollten. Ein Mann kann diese Rolle ebenso gut ausfüllen. Sollte er auch dürfen.

Ich glaube, es ist wichtig, auch über den derzeitigen Horizont hinaus zu denken. Packen wir's an:
Positionspapier Q103: "Genderneutrale Gleichbehandlung des Berufs Hausmann und Vater/Pflegender - Hausfrau und Mutter/Pflegende mit anderen Berufen im Folgenden ‚Assistent/in für Kinderbetreuung bzw. Pflege von Hilfsbedürftigen’ genannt"

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Ergänzung vom 09.03.2015:
Der Entwurf Q103 ist aus meiner heutigen Sicht ein gute Diskussionsgrundlage. Es gibt Punkte, die dringend der Optimierung bedürfen. Vielen Dank an dieser Stelle an Cornelia Otto, die bereits konstruktiv Kritik zum Punkt Arbeitsrecht, Rente und Sozialversicherung gebracht hat und wertvolle Fachkenntnisse beisteuert, die in eine optimierte Entwurfsversion einfließen werden.)
Einreichen will ich als Position für Würzburg also ausschließlich diese Kurzform, die 2011 für den Bundesparteitag in Offenbach als PA150 zur modularen Abstimmung entwickelt wurde:  
"Genderneutrale Gleichstellung der Tätigkeit 'Hausfrau und Mutter / Hausmann und Vater' mit anderen Berufen" 
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Um eins klarzustellen: Ich spreche mich für eine Vielfalt an Unterbringungsmöglichkeiten aus und auch deren Verbesserung zu heutigen Standards. Krippen, Tagesmütter und -väter, Horts, Kindergärten (hier bin ich ein großer Fan der Waldorfkindergärten, weil sie im besonderen Maße Kreativität und Natürlichkeit fördern), auch Schulhorts.
Ich wünsche mir die Erweiterung des Spektrums um den Beruf 'Hausfrau und Mutter / Hausmann und Vater', weil ich weiß, dass es viele Eltern gibt, die spüren, dass die Fremdbetreuung gegen ihre Natur geht, gegen die Natur ihrer Kinder, gegen unsere Gesellschaft. Weil Fremdbetreuung im frühen Alter oftmals die Frühentwicklung von Bindung und Vertrauen bricht. Auch das beweisen wissenschaftliche Studien mittlerweile hinreichend.

Wenn ich mir unsere Kinder anschaue, den großen Teil Einzelkinder die weder Geschwister noch die Möglichkeit haben, sich an ihre Mutter oder Vater, Oma oder Opa etc zu binden, weil sie nicht da sind, weil sie Geld verdienen müssen, dann stelle ich hier die Systemfrage. Wo wollen wir hin?

Und warum wollen bestimmte Gruppen verhindern, dass die Möglichkeit geschaffen wird, in diesem modernen System Eltern zu ermöglichen eine Form auszufüllen, die für viele Kinder ein guter Weg ist. Sicher nicht für alle. So wie auch der Weg der Krippe für kleine Kinder nicht richtig ist für alle. Liegekrippen halte ich für eine Form der gesellschaftlichen Notwehr, fragen wir doch mal die Mütter, was sie lieber hätten als ihr Kind 10 Stunden dort abzugeben, weil ihnen der Job das abverlangt und sie ohne Job keine Einkünfte hätten. Es sei denn sie akzeptieren den gesellschaftlichen Sozialabstieg in Hartz4.

Ich wünsche mir Offenheit, Aufgeschlossenheit neuen Ideen gegenüber, und dass die Kritiker aufhören, mit dogmatischer Ablehnung alles herunterzustampfen, was sie als konservativ abstempeln.
Aufgeklärte, engagierte Menschen im Beruf 'Hausfrau und Mutter / Hausmann und Vater' sind eine sehr progressive Form der Erziehung. Es kommt doch auf die inhaltliche Füllung des Berufs an. Totschlagargumente wie " Könnte es sein, dass Du aus überbordendem Beschützerinstinkt Freiheit d. Kindes mit dem Bade ausschüttest? Elternegoismus" halte ich für unangemessen und unreflektiert genug, um ihnen zu widersprechen.

Natürlich kann ich solchen Einwänden wie
"Bindungsfähigkeit entsteht mit positiver sozialer Interaktion-wichtig dass die unter Kindern-nicht nur Erwachsenen stattfindet"
"du benutzt: femdbetreut, weggeben müssen, ich: förderung, spaß, spiel,gleichalte, musik und professionelle liebevolle begleitung."
"Die unter 3 Jährigen lieben Ihre Kita, haben Freunde, Aktion, Musik und Spiel- warum muss das schlechter als Familie 24h sein? ..."
freundlich entgegnen, dass ich hier nicht die Abschaffung von Kitas fordere, sondern die Entwicklung eines neuen Berufsbildes, um Eltern wieder die Möglichkeit zu geben, sich mehr in die Erziehung ihrer Kinder einzubringen. Denn das größte Argument dagegen, Geld verdienen zu müssen, fällt dann endlich weg. Auch für Menschen, die weniger geeignete Berufe ausüben, um das Überleben in der Konsumgesellschaft allein zu schaffen. Bis wir das Bedingungslose Grundeinkommen haben, mit dem dies dann auch kein Thema mehr sein muss, gehen sicher noch mehr Jahre ins Land, als uns lieb ist.

"Es geht um Qualität i.d. Betreuung- warum sollte ein prof.liebevolles Angebot grundsätzlich schlechter als Betr.in der Familie sein?" Hier stimme ich zu, natürlich ist gerade professionelle liebevolle Betreuung sehr wichtig. In einer Kita mit 120 Kindern und einem Schlüssel von 12:1 ist das aber leider nicht gegeben. Warum nur sollte Betreuung in der Familie schlechter sein? Vor allem mit den von mir formulierten geförderten Programmen. 
Engagierte Eltern auszubilden, zu begleiten und zu unterstützen ist der nächste Weg. Betreuungsgeld ist ein hilfloser Ansatz in diesem Thema, und leider noch nicht weit genug gedacht. Es geht darum, die nötige Qualität für die Kinder zu Hause zu sichern. Da gibt es viele Ansätze, die man über die Ausbildung vermitteln und durchsetzen kann. Das bedeutet dann Bildung der Eltern, die es somit besser machen können.

Ein Krippenplatz kostet ca. 600 Euro monatlich, nichtmal impliziert, dass es ein 'guter, liebevoller' Krippenplatz ist. Es gelingt der Regierung derzeit nicht, diese aufzubauen. Mit 600 Euro wäre ich damals deutlich sorgenfreier durchs Leben gegangen. Das wäre auch dem Kind zugute gekommen.


Dienstag, 26. November 2013

Lassen Sie mich durch, ich bin Pirat, ich will nach Brandenburg


Ich freue mich, folgende Ankündigung machen zu können:
Seit gestern Abend bin ich Brandenburger Piratin :)

Ich wechsele aus dem LV Berlin in den LV Brandenburg, weil der letzte Parteitag #LPTBB132 am 16.11.2013 in Potsdam bewiesen hat, dass die Mitglieder dort den aktiven Einsatz von Piraten im Namen der Partei anerkennen und unterstützen, und weil der überwiegende Teil des LV sich für ein besseres Miteinander einsetzt, indem Wertschätzung und Respekt priorisiert werden.

Das ist der Stil einer neuen Politik, mit dem ich arbeiten möchte. Ich freue mich auf eine fruchtbare Zusammenarbeit, die Spaß macht und Erfolg für die Piratenpartei bringt.

*und bevor Manchem die Fantasie durchgeht: Nein, ich werde nicht für den Landtag kandidieren. Ich werde aber die Kandidaten mit all meiner Kraft unterstützen, damit wir die Wahl gut stemmen und in den Landtag einziehen können :)

Samstag, 8. September 2012

Mitschnitt eines Radiointerviews, Juli 2012


In meiner am nächsten Wochenende auslaufenden Amtszeit als stellvertretende und kommissarische Vorsitzende der Piratenpartei Berlin wurde ich von radioB2 zu einem Radiointerview mit Oliver Dunk eingeladen.

Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich nicht wieder kandidieren möchte, weil ich eine neue schöne berufliche Aufgabe bekomme.

Nun freue ich mich sehr über und auf meine neue Herausforderung und bedanke mich bei den Piraten für ihr Vertrauen :)

 





Sonntag, 1. Januar 2012

Der letzte und der erste Tag


Ich meditiere jetzt in das neue Jahr. Das hat sich bewährt. Als hochtrainierte Partymaus, die ich mehr als mein halbes Leben lang war, habe ich mich vor 4 Jahren das erste Mal auf einen Versuch eingelassen: Silvester mit einem Haufen fremder Menschen, die sich, alle hochnüchtern, nachdem sie ein exquisites vegetarische Buffet vertilgt haben, langsam und mit besonderer Achtsamkeit gegen 23.30 Uhr auf kleinen runden Kissen in einem Saal sammeln, um in Stille rund 1,5 Stunden ins neue Jahr rüberzuschwappen. Niemand redet, selten bewegt sich mal jemand, und wenn, dann auf eine Art, die die anderen nicht in ihrer Ruhe stören möchte.

23.00 Uhr. Perfekt. Genau wie geplant. Ich finde eine kleine Parklücke und stelle den Wagen ab. Nichtmal im Halteverbot. Zufrieden hole ich noch das Handy aus der Tasche und stelle auf lautlos, vorsorglich, nicht, dass ich es noch vergesse, später. Dann gehe ich gemächlich über die Wiese zwischen den Plattenbauten, den ausgetretenen Pfad entlang, und biege dann vor dem kleinen Pavillon um die Ecke.

Ja, das Cafe hat geöffnet. Mein Blick scannt im Bruchteil der Sekunde den gemütlich beleuchteten Raum, ach, diesmal haben sie das Buffet vorn aufgebaut. Irgendwas ist komisch. Ist denn gar keiner da? Die Freundin hatte doch erzählt, dass auf der Webseite wieder eine Jahreswechselmeditation angekündigt war. Ich hatte selbst nicht nochmal geschaut. Als ich auf die Eingangstür zugehe, spüre ich mit einem Mal Unsicherheit. Hätt ich mal nachgeguckt. Wer weiß. Vielleicht fällt es ja doch aus? Ha, die Tür geht auf, na, alles klar. 23.30 fängt die Meditation für gewöhnlich an, meine ich mich jetzt, im Gegensatz zu heute nachmittag als ich es noch genau wusste, nur noch ungefähr zu erinnern. Ich behalte meinen langsamen Gang bei, bin ja immer noch zu früh.

Als ich den Innenhof durchquere, um in den seitlichen Eingang einzutreten, nimmt mein Blick die Silhouette vieler Köpfe wahr. Köpfe, viele, aber wieso sind die so niedrig? Bevor ich diese Frage zu Ende denken kann, quatscht die passende Antwort schon dazwischen. Die sitzen. Etwa 25 cm über dem Boden, weil sich zwischen ihrem Gesäß und dem Parkett kleine runde rote Kissen befinden. Die Meditation läuft schon. Ich japse. Zu spät! Dabei war ich doch so pünktlich. Selbst das akademische Viertelchen, das mich seit frühester Kindheit beschäftigt, hatte ich ausgetrickst und die Abfahrt extra 15 Minuten vorverlegt, damit ich auf die geplante Minute los- und ankomme.

Mein Herz rast mit einem Mal. Schei..neineinein, schschsch! Das darf doch nicht wahr sein! Wie konnte, ach, was frag ich, und, oh nein, da darf ich doch gar nicht mehr rein, eine Unterbrechung ist stets ausdrücklich unerwünscht. Aber, das geht nicht, heute ist der Tag.
Ich bin jetzt eine Stunde quer durch die Stadt hierher gefahren, ok, eine Stunde minus akademisches Viertelchen, ich muss da rein, denkt es in mir, während ich mir, plötzlich völlig atemlos, den Mantel vom Leib reiße und einfach auf dem nächsten Stuhl fallen lasse. Schuhe aus, Socken an, los. Mein Herz pocht.

Auf leisen Sohlen renne ich langsam auf die Tür am Ende des Ganges zu. Ein Raum voll mit 90 Personen, ich sehe sie schon vor meinem inneren Auge, sie haben die Augen geschlossen, hoch konzentriert. Noch. Denn schon gleich werde ich ihre volle Aufmerksamkeit erhalten, weil das Geräusch, das ich gleich produzieren werde, wenn ich die Klinke langsam herunterdrücke, gar nicht so leise sein kann, dass es in dem Raum, in dem es sonst kein Geräusch gibt außer leisen Atemzügen, nicht auffallen wird.
"Wer ist das?", werden sich manche der anwesenden Gehirne fragen, "Wieso so spät?", andere, und vielleicht werden manche ein "Frechheit" dazwischenwerfen; Konzentration wird wohl den wenigsten erhalten bleiben.
Ich greife nach der goldenen Klinke und drücke sie behutsam herab. Die Tür öffnet sich und ich werde mir des hellen Strahls bewusst, den ich in die Dunkelheit hinein bringe.
"Was ist da so hell?" - "Ach, das Flurlicht", höre ich vereinzelte Gehirne denken. "Psst", denke ich, "ganz ruhig", mein Atem ist jetzt in einer solchen Verfassung, wie ich ihn nach einem 50 Meter Lauf erinnere.
Ich schlüpfe durch den Spalt, der sich in der Zarge vor mir auftut. Hinein, schon vorbei. Ich stehe der Tür zugewandt, und halte die herabgedrückte Klinke fest in meiner Rechten.
"Jetzt die Tür sachte heranziehen, hoffentlich schließt sie", schießt es mir durch den atemlosen Kopf. Erleichtert nehme ich wahr, dass die Tür geschlossen bleibt, nachdem ich die Hand löse. Doch nun, inmitten der Stille, höre ich, wie jede meiner Bewegungen Geräusche produziert, und bin mir bewusst darüber, dass etwa 70 bis 80 der anwesenden 90 Gehirne diese Audiosignale über ihre Gehörgänge zugetragen bekommen.
"Was macht die denn jetzt, jetzt steht sie da, und jetzt...", höre ich es förmlich. Ich drehe mich um 180°, fast geräuschlos, und setze mich an Ort und Stelle nieder. Nix Matte, nix Kissen, einfach so, auf den Holzboden.
Mein Puls taktet hoch, ich atme einmal tief durch, aber der Atem flattert mir.

"Der vierte Freund ist die Sammlung" sagt der Lehrer, der vorn sitzt, in seinem tiefen Bass. Sammlung, ja, das ist gut. Freund, genau, die Sammlung ist mein Freund, warum auch nicht. Nichts, was ich im Augenblick nötiger hätte, geht es mir durch den Kopf. Zum Glück mache ich seit einigen Sekunden kein Geräusch mehr. Ich tröste mich an meiner neuen Stille. Die Augen habe ich geschlossen, nicht allein um nicht gesehen zu werden, für den Fall ich hätte doch jemand gestört in seiner Meditation. Ich glaube zu spüren, dass ich niemand gestört habe, und freue mich das erste Mal angemessen, dass ich jetzt hier, inmitten der anderen, sitzen kann.

Sammlung. Das ist jetzt erstmal meine Übung. Ich konzentriere mich auf den Atem. Das kenn ich schon. Früher hat es oft nicht geklappt pünktlich Feierabend zu machen, immer wollte noch jemand etwas von mir, obwohl meine Abfahrt jeweils lang genug vorher angekündigt war. Damals bin ich häufig in solch einer Verfassung in meine donnerstägliche Yogastunde eingetreten. Sammlung. Ich sammle mich. Schöne Metapher. Passt auch irgendwie zum Jahr 2011. Inklusive Zuspätkommen. Das ist im letzen halben Jahr nicht zum ersten Mal passiert. Sammlung. Einatmen, Ausatmen. Pffuh.
Der Lehrer macht Vorschläge, an was wir denken könnten; an Zeiten, in denen wir nicht gesammelt waren, Zeiten, in denen wir Zerstreuung produzierten, Zeiten, in denen wir außer Atem waren. Und dann an all die gesammelten Zeiten. "Kenn' ich gut," finde ich heraus, "2011 habe ich viele solcher Situationen gestemmt. Aber was ich alles geschafft hab, Dunnerlittchen!" Ich lobe mich kurz selbst und fühle mich mittlerweile sehr gesammelt.

"Achtsamkeit ist Dein fünfter Freund," sagt er nun in die Stille hinein. Ah, ja, die liebe ich. Achtsamkeit, meine liebste Kür. Ich denke über Achtsamkeit nach, wann war ich in 2011 achtsam? Weil ich mir seit Jahren eine Dauerachtsamkeit angewöhnt hatte, einfach aus der Not heraus, dass ich sowieso alles und jedes wahrnehme, was um mich herum passiert, finden sich leicht Situationen, in denen ich achtsam war. Aber auch Unachtsamkeit, aus dem Affekt, hat sich in 2011 eingeschlichen, zunehmend im letzten Viertel. Glücklicherweise gab es dann den klinischen Befund der Ursache, Stress, und seit ich B-Vitamine zu mir nehme, lässt diese Unachtsamkeit nach. Täglich, mir zum Trost. Aber, dass ich nicht nochmal auf die Webseite geschaut habe, klassischer Fall von, na, was sag ich, Vitamin B Mangel. Achtsamkeit. Mehr Achtsamkeit. Ich meditiere noch ein wenig auf die Achtsamkeit und dann machen wir Pause.

"Hhhh, wann habt Ihr denn angefangen?" flüstere ich dem vor mir Sitzenden zu.
"Um 22.30 Uhr", flüstert er zurück, und dabei ist er so freundlich, dass ich weiß, dass ich ihn kurz gestört haben könnte.
"Möchtest Du Dich hierher setzen?" flüstert er und weist auf die Lücke zwischen ihm und seiner Mattennachbarin.
"Ja?" flüstere ich begeistert, "Darf ich?"
"Bitte", sagt er, und ich wende mich der jungen Frau zu, neben der ich sitze, zu ihren Füßen, neben ihrem Stuhl. Ich lächle sie an, und freue mich, dass sie mir nicht böse ist. Sie lächelt zurück.
"Darf ich?" frage ich, und zeige auf das Kissen unter ihrem Stuhl. "Oder brauchen Sie das?"
"Nein, nein", flüstert sie, während sie es mir rüberreicht.

"Bitte die Fenster wieder schließen," wendet sich die Frau, die die nächste Meditation anleitet, an uns, "und setzt Euch wieder gemütlich hin."
Das tun wir, alle 90. Es wird still. Diesmal bin ich dabei. Ich habe ein Kissen, das letzte im Raum, und eine halbe Matte. Was für ein Glückspilz ich bin. Man hört nichts außer leisen Atemzügen.

Da geht die Klinke, ein Lichtstrahl zieht durch den Raum, und zwei Frauen schieben sich durch den Türspalt. Ich lächle. Niemand stört sich daran, das spüre ich jetzt ganz sicher. Ich heiße die beiden im Geiste willkommen und bedaure, dass sie weder Kissen noch Matte haben. Sie wirken älter als ich. Aber ich kann jetzt unmöglich anbieten, ihnen meinen Platz abzutreten. Wir sind schließlich nicht in der U-Bahn. Ich darf mich stattdessen einfach über meinen Platz freuen. Und das tue ich auch.

"Denke jetzt einmal an alle schönen Ereignisse in diesem Jahr" fordert die Stimme vorn uns auf. "Und erfreue Dich daran". Das fällt mir leicht. So viele schöne Ereignisse in 2011. Sie spulen sich wie ein Film vor meinem inneren Auge ab, dazu breitet sich das Gefühl der Freude aus. Abschluss der Bauarbeiten, die erste Nacht im neuen Haus, die beiden neugeborenen Katzenbabies, der erste Frühling im Garten, mein Job, die Piratenarbeit, meine Familie, meine Freunde; ein Potpourrie guter Gefühle schüttelt sich über mir aus. Ich strahle jetzt, nicht nur innerlich.

"Und nun denke an jemanden, der in Not ist, der Angst hat, unglücklich ist oder auf andere Weise leidet, und schicke ihm Deine guten Gefühle." Das tue ich. Ich habe reichlich davon abzugeben, an die, denen es nicht so glücklich geht. 

"Denke jetzt an jemanden, der schwierig ist für Dich, denke an seine Not." Ja, da fällt mir gleich jemand ein. Ich sende Kurt meine guten Gedanken und versöhne mich mit den Gemeinheiten, mit denen er mich in letzter Zeit reichlich bedacht hat. Das hat mir Stress verursacht, und ich bin gar nicht sicher, ab das an dem Vitamin lag oder ob das Vitamin nicht am Ende eine Folge des Stresses war. Ich sende glückliche Gedanken, und anstatt, dass sie sich in mir verringern, mehren sie sich. Ein toller Effekt, den ich immer wieder beobachten kann. Früher hab ich mich beschwert und mich dabei schlechter gefühlt, heute schicke ich der Person nette Gedanken und fühl mich besser damit. Alles eine Sache der Technik.

Die Meditation ist jetzt zu Ende. "Wir können jetzt Kerzen anzünden, und gute Wünsche für Menschen, die uns wichtig sind, aussprechen oder auch nur denken. Wer mag, kann nach vorne kommen. Einer nach dem anderen. Und ich möchte bitten, dass dabei alle im Raum bleiben. Ich fange an." sagt der Lehrer.
Er zündet eine Kerze an, und spricht gute Wünsche für seine drei Kinder aus. Laut und klar, für alle hörbar im Raum. Und in der nächsten guten halben Stunde kommt einer nach dem anderen nach vorn, zündet eine Kerze an, manche Stimme ist schüchtern leise, andere sagen gar nichts, mancher spricht laut und deutlich.

Ich grüble, wem ich meine guten Wünsche senden soll. Und denke sofort an meine Mutter. Eben noch hatten wir telefoniert. Als ich ihr von einem Piratenstress berichtete, und ausdrückte, dass ich genauso gut in eine alte Partei gehen könnte, wollte ich das akzeptieren, was man von mir verlangte, ergänzte sie, "Ja, oder Du heiratest." Ein gelungener Witz, wir haben herzlich zusammen gelacht. In den nächsten Minuten ringe ich mit mir und meinem Lampenfieber, das mich immer ereilt, wenn ich vor Gruppen sprechen will. Ich beschließe also, zu Hause allein eine Kerze anzuzünden. Für meine Mutter und für all die Menschen, die auf ihre Gemütlichkeit verzichten und ihr Leben dabei riskieren, sich für das Wohlsein von anderen Menschen einzusetzen.
Mit einem Mal stehe ich auf, und dränge mich nach vorn, langsam aber zielstrebig. Auf einer Matte mache ich Halt, und lasse eine blonde Frau vor.
"Ich zünde eine Kerze an für das Gesundheitssystem", sagt sie, und führt ihren Wunsch weiter aus, "so dass alle Menschen, die in dem Bereich arbeiten, mit Kranken, mit Alten, mit Kindern, mit Sterbenden, das Wesentliche verstehen, und ihr Tun nicht von Profit und Gewinnmaximierung getrieben ist."  Das rührt mich, und ich sehe, wie sich in des Lehrers Gesicht, eben noch in stiller Konzentration, ein breites Lächeln setzt.

Ich lasse noch ein Frau vor, und sie sendet mit zarter Stimme gute Wünsche an ihre Kinder. Dann trete ich vor. Innerlich zittere ich, aber das ist mir egal. Ich nehme eine der wenigen übrig gebliebenen Kerzen, zünde sie an und erhebe meine Stimme, klar und laut, wenn auch ein wenig zitterig.
"Ich zünde ein Kerze an für meine Mutter", und sage meine Wünsche für sie, "und ich zünde diese Kerze an für all die Menschen, die auf ihre Gemütlichkeit verzichten und ihr Leben dabei riskieren, sich für das Wohlsein von anderen Menschen einzusetzen. Dafür bedanke ich", und hier bricht mir nun die Stimme weg. Ich schlucke und ergänze, was wohl viele der Anwesenden gedacht haben mögen, das letzte Wort: "mich."
Auf dem Weg zurück zu meinem Platz löst sich die Anspannung. Ein gutes Gefühl. Der Lehrer schließt die Kerzenrunde und entlässt uns in das neue Jahr.

Ich hatte mir zu Hause schon zwei Zehner zurecht gelegt, für die Spende. Allerdings hatte ich mit dem Gedanken gespielt, mir aus der Dose einen Fünfer zurück zu nehmen, dann läge ich immer noch über der Spendenempfehlung und könnte vielleicht noch etwas vom Buffet im Cafe bekommen.
Ich schwanke, und entscheide dann, alles in die Spendenbox zu legen. Auf dem Weg nach draußen freue ich mich über meine großzügige Entscheidung. Essen kann ich auch zu Haus.

Als Erste trete ich auf den Innenhof, mag niemanden sehen und sprechen. Eine wohlige Ruhe trägt mich. Spontan mache ich noch eine Runde um die Stupa, die von einem hellen Kiesweg umgeben, in der Mitte des Mini-Parks liegt. Zum Glück bin ich noch ganz allein im Hof.
Meine Gedanken schweifen nach Bodhgaya, an den Tempel neben dem berühmten Bodhibaum. Zwei Monate hatten mein damals 10jähriger Sohn und ich allabendlich  Hunderte von Mönchen bei ihren Koras um den heiligen Erleuchtungstempel begleitet. Ein wunderbares Spektakel.
Ich komme zurück zu mir, und schaue die niedlich kleine Stupa neben mir an. Für Tibeter ist es Ehrensache, eine Stupa in ihrem Leben zu errichten. Diese hier steht in Deutschland, mitten in Berlin, wo Grund teuer ist, und so ist sie groß genug.
Ich biege aus der Runde in den abzweigenden Kiesweg und steuere den Ausgang an. Als ich auf die Pflastersteine trete, entdecke ich etwas helles auf dem Boden. Das sieht aus wie... ich bücke mich. Und hebe einen zusammengefalteten Fünfer auf. Als ich mich umschaue, sehe ich nur eine Frau, die gerade erst aus dem Seitengebäude getreten ist. Sie hatte diese Stelle noch gar nicht passiert.
"Was soll ich nur machen?", frage ich mich. "Es ist nicht mein Geld, aber wie sollte ich denn jetzt herausfinden, wem es gehört?" Ich schaue, und überlege verschiedene Szenarien. Das, in das Café hineinzugehen und zu rufen 'wer hat diesen 5 Euro Schein verloren' verwerfe ich aus Schüchternheit. Ich mag nicht reden, nicht jetzt. Bleibt nur eine Möglichkeit.

Als ich der Frau neben dem Buffet mitteile, dass ich nur 5 Euro habe, lacht sie und sagt "Bedien Dich!"
Glücklich esse ich einen kleinen Teller voll vegetarischer Superköstlichkeiten und verschwinde dann, zurück zu meinem Auto.
Ich setze mich hinein, schnalle mich an und entscheide, meinen Sohn anzurufen. 1.00 Uhr, da ist er hoffentlich fertig mit Böllern.
"Frohes Neues Jahr" wünschen wir uns fröhlich, und geben dem anderen ein Update der Situation. Im Hintergrund höre ich ausgelassene Stimmen.
"Ist da noch ein Kind?" frage ich.
Mein Sohn lacht.
"Papa, Mama fragt, ob hier noch ein Kind ist, haha, nein Mama, das ist Papa, er spielt Wii Gitarre ohne Wii."
"Ah ja," erwidere ich, "das hört sich lustig an."
"Wir sehen uns dann morgen, ich mach mal los nach Haus," sage ich.
"Warte, Papa will Dich noch sprechen."
"Mich? Wieso denn das?"
"Weiß ich nicht" und schon habe ich den Vater meines Kindes am Apparat.
"Frohes neues Jahr!" wünscht mir meine erste Liebe fröhlich und ergänzt mit der Frage "Kannst Du Dir vorstellen, dass das Kind nächstes Jahr schon legal Alkohol trinken darf?"
"Ja, krass, oder?" Ich bin überrascht über seine offene Art. Sonst ist er doch so, ja, so weniger freundlich.
Noch mehr überrascht mich das freundliche, fröhliche Gespräch was sich nun entspinnt. Wir loben uns gegenseitig über unsere Beiträge, die das Kind zu dem begleitet haben, was es heute ist. Also jedenfalls ich klopfe virtuell seine Schulter. Nach kurzem Überlegen klopft er tatsächlich zurück. Ich bin baff. Was ist denn hier los? So viel Freundlichkeit! Waren wir nicht Fremde gewesen, die die alten schlechten Zeiten eisig verdrängt hatten? Und nun, am Neujahrstelefonat werden tolle Erinnerungen aufgewärmt.
"Weißt du noch, das Silvester daundda und daundda?"
"Ja klar, wir haben ja diverse Silvester zusammen gefeiert."
Genau genommen 16. Da war alles dabei, Parties, Kreuzberg, Neukölln, Wedding, See und Berge, Schnee.
"Wo bist Du denn?"
"In XHain. Mein Gynäkologe, erinnerst Du Dich, da waren wir vor 16 Jahren zusammen, der hat hier ein Zentrum aufgebaut."
"Der Gynäkologe?" fragt er, hörbar irritiert. Es ist ebenso irriterend wie normal für mich.
"Du machst ja schräge Sachen, Neujahrsmeditieren. Aber irgendwie cool." sagt er, und ich sage "Ja, in schräg sein bin ich gut, das weißt Du doch."
"Ja, das muss man Dir lassen."
Wow, er lässt mir was. Was ist hier los? Ich denke an den Fünfer von eben.
"Ja, ich bin halt hier, wir machen Party. Man muss sich ja anpassen."
"Wie bitte? Ich hör wohl nicht recht!" Der Punk von früher, anpassen? "Das vergesse ich sofort wieder," biete ich an, "Anpassen geht gar nicht!"
"Nein, es macht ja Spaß, mit dem Kleinen zu böllern."
"Gut, das ist eine ganz andere Motivation als Anpassen, das geht durch."

Um 1.23 Uhr legen wir auf. Auf dem Nachhauseweg wird mein Auto an der Schönhauser Allee von Explosionen erschüttert. Rock me all night long. Radioeins spielt Musik, die neu war, als ich Teenie war. Dub, und Laid Back mit der B-Seite White horse. Ich frage mich, wie sich die Teens von heute fühlen müssen, Musik zu hören, die schon Millionen vor ihnen gehört haben. Ich denke, es sollte mehr gute neue Musik erfunden werden.











Donnerstag, 10. November 2011

Nun gehts aber los

Da ich mich nicht in der Lage sehe, in 140Zeichen Twitterbotschaften meine Position hinreichend zu erläutern, ist dieser Text entstanden. Über Kommentare und Diskussion freue ich mich!
Danke für Euer Interesse : )

Die moderne Frau - beruflich unabhängig - kinderlos?
Bis ich 28 Jahre alt war, war Familienplanung eine Horrorvorstellung für mich, die Muttersein mit Abhängigkeit und Reduzierung auf ein Leben ohne ein Leben als freie Frau verband. Infolgedessen hatte ich mich als 'Kinderhasserin' inszeniert, vor meinen Chefs und Kollegen, innerhalb meines Freundeskreises. Ich hatte stets die lustigsten Kinderwitze auf Lager. Niemand wäre je auf den Gedanken gekommen, dass ich mal Mutter werden würde. Auch ich nicht. Bis ich 28 wurde.

Als ich meinem Lebensgefährten mitteilte, dass ich mir mittlerweile schon, also unter Umständen, irgendwann mal, vorstellen könnte, dass ich mal schwanger werden könnte, also natürlich nicht jetzt, vielleicht mal in zwei drei Jahren, schaute er mich an, als ob grüne Schneeflocken vom Himmel fielen.
Wir redeten darüber und ich stellte ihm meine Vorstellungen dar: Dass wir uns gemeinsam um das Kind kümmern, und dass ich in der Zeit, in der ich zu Hause bleiben müsste, solange das Kind noch zu klein ist, um es in andere Hände zur Betreuung zu geben, dafür einen Ausgleich von ihm haben möchte, wenn er weiter wie bisher arbeitet und Geld verdient. Damit ich mich nicht für geringe Ausgaben wie Telefongespräche oder anderes Persönliches rechtfertige müsse.

Am nächsten Tag äußerte er einen Zweifel an seiner Liebe. Er wusste es einfach nicht mehr so genau, ob er mich liebte. Drei Tage später übernahm ich die Wohnung einer Freundin und zog aus. Nach mehr als zehn Jahren war die Beziehung beendet.
Er brauchte etwa ein halbes Jahr, um sich an den Gedanken, dass er auch Kinder haben möchte zu gewöhnen und mich wiederhaben wollte. Allerdings forderte er absolute Unabhängigkeit, d.h. ich müsste für meinen kompletten Lebensunterhalt selbst aufkommen. Das ist modern, so macht man das heutzutage. Dafür gibt es Krippen, in die man seine Kinder bringen kann, damit sich die Frau der modernen Verantwortung des Geldverdienens stellen kann.

Tatsächlich hatte ich das Selbstbewusstsein, zu glauben, dass ich natürlich wie bisher meine 100.000 jährlich reinbringe. Talentiert und fleißig wie ich bin, hegte ich keinen Zweifel daran, dass das alles schon wird. Ein guter Freund von mir sagte mal, dass er glaubte, das Einzige was sich ändern würde, wenn er Kinder hätte, wäre, dass sie fortan drei Plätze im Kino nehmen müssten.

Und so kam die Ernüchterung doch ziemlich schnell. In der Schwangerschaft nahm ich 29 Kilo zu, weil mein zarter Körper sich alles nahm, was er bekam. Ich konnte in den letzten Monaten nicht mehr wirklich Gehen und selbst Stehen fiel mir zum Schluss schwer. Aber natürlich bin ich bis zur Mutterschutzfrist zur Arbeit gegangen.

Die moderne Frau - mit Kind - beruflich unabhängig? 
Als ich dann fünf Tage nach der Geburt nach Hause kam, durfte ich wegen fast geplatzter Nähte nicht aufstehen, ich war zwei Wochen ans Bett gefesselt. Meine Mutter kam, zum großen Glück, und übernahm die Pflege von mir und dem Säugling. Der Vater hatte auswärts zu tun, neben seiner Firma hatte er gerade noch ein Abendstudium begonnen und konnte nur abends, ab 22.00 Uhr, anwesend sein. Ich fühlte mich an meine Kindheit erinnert, modern kam mir das alles nicht vor.

Zwei Wochen nach der Geburt, ich durfte endlich aufstehen, hatte ich meinen ersten geschäftlichen Termin. Zum Glück hatte ich jemand gefunden, der in der Zeit mein Kind im Kinderwagen herum schob. Nachdem ich aber erstaunlicherweise nicht sofort an meine beruflichen Erfolge anknüpfen konnte, und meine Ersparnisse nach fünf Monaten für Miete, Kostgeld, Telefon, Versicherungen etc aufgebraucht waren, drang ich auf eine Umverteilung der Verantwortung innerhalb der Familie.

Aber der Vater bezog sich auf unsere Abmachung, Geld wollte er eigentlich nicht zahlen. Es sollte ja auch ein Anreiz bleiben, mich wieder in die Arbeitswelt zu integrieren. Das fiel mir jedoch schwer, da mein Kind mich die ersten drei Monate täglich mit Schreierei, bis zu 3 Stunden am Stück, auf Trab hielt, und nächtlich 3-4 Mal weckte. Auch die wertvolle Literatur 'Jedes Kind kann schlafen lernen' hat mir nicht viel weiter geholfen. Und so wie eine Mitmutter es mir vormachte, 'nämlich einfach schreien lassen, irgendwann ist es still', wollte ich es dann doch nicht nachmachen.

Ich steckte in einem Dilemma. Die Gesellschaft forderte von mir, mich beruflich einzusetzen, aber meine ehemalige Kinderhasserei, mit allen Vorurteilen über Bedürfnisse von Kindern, hatte sich gewandelt. Mein Kind hatte eine fast 5 mm dicke Schorfschicht auf dem Kopf, Haare konnten da gar nicht wachsen, extreme Nahrungsmittelunverträglichkeit und eine Form von Hyperaktivität. Es konnte nicht ein paar Minuten alleine sein, ohne dicke Tränen zu weinen. Ich hätte es schreien lassen können, natürlich, aber da bin ich lieber meinem Gefühl gefolgt. Also trug ich es 15 Monate an mir. Immer, ständig. Glücklicherweise hatte ich in der Schwangerschaft das Buch Auf der Suche nach dem verlorenen Glück: gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit (Originaltitel: The Continuum Concept) von Jean Liedloff gelesen. Und ich wagte, meinen Gefühlen zu folgen.

In meinem Umfeld waren alle dagegen, dass ich mein Kind nicht schon früh in die Betreuung gebe. Meine Eltern hatten Sorge, dass ich den Wiedereinstieg nicht finde, der Vater meines Kindes machte sich Sorgen um die finanzielle Seite und Kollegen konnten es einfach nicht verstehen, weil sie es doch auch gemacht hatten, alle machten es so, so musste es doch richtig sein.

Aber ich verweigerte mich, nahm mir ein junges Mädchen zur Hilfe, die etwa 2-3 Mal in der Woche drei Stunden auf mein Kind aufpasste, wenn ich arbeiten wollte. Sie schob es nach dem Stillen im Park herum und kam pünktlich zum nächsten Stillen wieder. Meist schoss mir die Milch schon ein, wenn sie etwa 50 m vom Haus entfernt war, obwohl ich es gar nicht wissen konnte. Auf diese Weise vermied ich, dass mein Kind weinte, wenn es von mir wegging. Es war eine tolle Art der Lösung, für uns beide, und gerade ausreichend. Früher hatte man das so, damals, als es noch Familienverbände gab.

Ich bin jeden Tag mit dem Kind mehrere Stunden spazieren gewesen, mein neuer Bekanntenkreis bestand aus Müttern und Vätern, wir trafen uns täglich am Spielplatz, besuchten uns gegenseitig wegen der Kinder. Gleichzeitig nahm ich an Krabbelrunden, Kinderturnen, Kinderschwimmen und allem teil, was sich für Kleinkinder bot. Und es war toll: sobald ich mein Kind absetzte, krabbelte es auf die anderen Kinder zu und spielte. Solange ich in der Nähe blieb, war alles in Ordnung. Ich hatte viel Gesprächsstoff mit den anderen Eltern, und wir gaben uns gegenseitig gute Tipps.

Als ich einmal auf einer Bank am Spielplatz ein Gespräch führte über den Stuhlgang der Kinder, wusste ich, ich war angekommen in den üblen Witzen meiner Vergangenheit. Wider Erwarten war es aber interessant, und die Antworten, die ich auf mein Problem erhielt, haben mir geholfen. Heute weiß ich es besser: auch Gespräche über Kinderkacke sind wichtig und die Leute die sie führen, sind nicht beschränkt oder doof.

In den folgenden Monaten änderte sich mein Leben und meine Einstellung sehr. Ich fing an, mich um Ernährung zu kümmern, kaufte bereits in der Schwangerschaft schon Bio-Lebensmittel auf dem Markt, achtete auf frische Zubereitung. Mit der Lebensmittelunverträglichkeit meines Kindes, keine Milchartikel, kein Hühnerei, war es mir unmöglich geworden, im Supermarkt einzukaufen. Das erste Mal in meinem Leben achtete ich auf die Inhaltsstoffe. Ich hatte spontan selbst das Interesse verloren, all die Dinge zu essen, die ich bis dahin gern konsumiert hatte. Zum Glück machte damals genau zum passenden Zeitpunkt ein Bioladen in meiner Nähe auf. Ich fing an zu kochen. Das hatte ich, als moderne Frau, immer vehement abgelehnt. Und: es machte Spaß und schmeckte viel besser als Restaurantessen und Fertigkrams.

Mit 15 Monaten gab ich mein Kind in einen Kinderladen. Privat organisiert mit Elterninitiative, für 280 DM im Monat, plus Putzdienste und Essen kochen. Mein Kind durfte das normale Essen leider nicht essen, aber die Elternschaft hat sich bereit erklärt, das zu berücksichtigen. Mir war es angenehm, dass mein Kind regelmäßig in Gesellschaft anderer Kinder kam, allerdings waren mir die Zeiten zu lang. Deshalb holte ich es immer nach dem Mittagessen ab, damit ich es zu Hause zum höchst nötigen Mittagsschlaf bringen konnte. Diese 45 Minuten hören sich vielleicht vernachlässigbar an und man würde meinen, das Kind würde dann einfach eher ins Bett gehen, wenn es den Schlaf mittags nicht bekommt, aber Tatsache war, dass der Rest des Tages umso anstrengender wurde, wenn das Kind unausgeschlafen und überdreht war.
Hier musste ich mich der Kritik der Erzieher stellen, die wollten, dass alle Kinder das Gleiche machen. Auch die Tatsache, dass ich mein Kind erst nach dem Frühstück brachte, weil ich die Unruhe dort einfach unerträglich fand, führte zu Kritik des Erzieherteams. Da ich spürte, dass mein Kind die Ruhe nötiger hatte als die Gleichschalterei in der Gruppe, setzte ich mich trotz des Gefühls des Andersseins durch. Heute weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war.

Bevor ich Mutter wurde, war ich ein großer Fan von ständig laufender, gern auch lauter Musik. Das hörte abrupt auf, nachdem das Kind da war. Da ich bei dem Kind massive Unruhe wahrnehmen konnte, wenn eine Beschallung stattfand, verzichtete ich auf die Geräuschkulisse. Wahrscheinlich hätte die Empfindlichkeit des Kindes auch aufgehört, so wie bei vielen Kindern zu beobachten, wenn sie einfach dran gewöhnt werden. Ob das gut ist, wage ich hier laut zu bezweifeln. Die ständige Reizüberflutung durch Menschenmengen in Kinderhorts, durch ständig laufende DVD-Player, Radios und Fernseher in den Familien, trägt meiner Ansicht dazu bei, die Konzentration der Kinder zu stören. Mittlerweile weiß ich, dass ich nicht alleine bin mit dieser Meinung, denn es gibt heutzutage genug Studien, die das belegen, und in den Schulen in denen ich heute Kinder unterrichte, ist dies mehr als offensichtlich.

Als die Grundschullehrerin mich Anfang der zweiten Klasse aufforderte, mein Kind mal beim Jugendamt vorzustellen und auf Begabung testen zu lassen, war ich nicht sehr interessiert. Ich wusste um die Begabung meines Kindes, wozu also testen? Ich bin ihrem Rat dennoch gefolgt, und die Ergebnisse der Tests waren eindeutig.  Interessant war der Rat der Beraterin, nämlich mein Kind unbedingt in den Schulhort anzumelden. Es müsse unter Kinder, müsse lernen, sich durchzusetzen, Ellenbogen zu entwickeln, soziale Kompetenzen zu erwerben. Ich war bereit, das zu glauben, und war auch schon im Hort, um mein Kind dort anzumelden. Allerdings hegte ich, wie auch schon früher, Zweifel darüber, ob es wirklich sinnvoll ist. Als ich die Grundschullehrerin um ein Gespräch bat, riet sie dringend davon ab: das Kind bräuchte Ruhephasen, und Ellebogenkompetenz sei das Unnützlichste, was man Kindern heutzutage abfordere. Und so war es ja auch. In den Hort ist er nicht gegangen. Stattdessen habe ich dafür gesorgt, dass er mindestens dreimal die Woche mit Freunden verabredet war, zum Spielen. Frühförderung hat er durch die Schule erfahren, Schach, Knobeln für Pfiffige, Chinesisch, alles in spielerischem Rahmen in AGen nach dem Unterricht. Zu Hause habe ich Bücher bereitgestellt, Massen an Büchern, anfangs habe ich viel vorgelesen.

Wenn mein Kind aus der Schule kam, war ich zu Hause. Nachmittags stand ich zur Verfügung, es hier und dorthin zu bringen, oder seine Freunde zu bewirten. Kinder, die zu Hause nicht essen wollten, liebten meine Gerichte, mein selbstgebackenes Brot war beliebter als Kuchen. Ist es heute noch.

Die moderne Frau - mit Kind - beruflich abhängig?
Mit zweieinhalb Jahren musste ich die Betreuungszeiten verlängern. Ich machte eine Fortbildung und war acht Stunden am Tag außer Haus. Nach dem Kinderladen holte eine Freundin das Kind dreimal die Woche nach dem Mittagessen ab. Mittagsschlaf in der Kita war durch den Unruhepegel nicht möglich. Die Freundin konnte ab dem Zeitpunkt nur noch Ruhephasen durchsetzen, schlafen konnte das Kind nicht mehr. Umso anstrengender waren die Nachmittage oft. Ab diesem Zeitpunkt, als das Kind 'wegmusste', gab es regelmäßig Tränen bei der Verabschiedung. Keine schöne Sache finde ich, aber es ging nicht anders. Ein übriggebliebener Restarbeitslosigkeitszeitanspruch aus früheren Jahren ermöglichte mir eine Weiterbildung, mit festem monatlichen Ausgleich, ich musste es wollen. Ablehnung wäre nun wirklich dumm gewesen.
Nach der Weiterbildung wurde ich direkt von der größten Internetagentur in der Stadt angeworben. Ich sollte die Abteilung Online Advertising aufbauen und leiten. Ich stimmte zu und verhandelte eine 30-Stunden-Stelle, die ich erfolgreiche führte, bis eines Tages junge Kollegen, Frauen übrigens, anfingen mich zu mobben. Sie waren der Ansicht, ich sei zu wenig anwesend. Glücklicherweise entschieden sie, die Firma zu verlassen, und ich gab dennoch dem psychischen Druck nach, und erhöhte auf 35 Stunden.

Ab sofort war ich 45 Stunden in der Woche, wobei ich die Fahrtzeiten mitrechne, außer Haus. Fremdbetreuung war mehr als nötig. Glücklicherweise konnte ich mein Kind mit drei Jahren in einen Waldorfkindergarten bringen. Die Kulturpflege der Ruhe und Kreativität tat dem Kind äußerst gut. Auch bekam ich einen Platz in der Nachmittagsgruppe, die bis halb vier betreute. Danach sprang eine Freundin als Kinderfrau ein. Für mich persönlich war das eine gute Zeit, doch stellte ich fest, dass sie gleichermaßen zermürbend war. Denn nach der Arbeit stand ich immer unter Druck, konnte die Dinge nicht so regeln, wie ich es gewollt hätte. Zu der Zeit gab ich etwa 600 DM für Kinderbetreuung aus.
Und dann stieg ich aus. Aus dem System. Ich hatte Glück. Eine Abfindung und mein ehemals hohes Gehalt ließen mich das gut überstehen. Aber schon da dachte ich, wie nur sollte das eine Bäckereifachverkäuferin oder eine Altenpflegerin schaffen? Unmöglich. Die sind gezwungen, im Rad weiterzulaufen. Fremdgesteuert durch den Anspruch der Konsumgesellschaft. Die Eltern und Kinder kommen dabei zu kurz.

Als ich mein Kind mal fragte, wie es die Zeit im Kinderladen, die Zeit vor dem Waldorfkindergarten, in Erinnerung hätte, also welches Gefühl oder welches Bild auftaucht, das sagte es "Allein. Blau." Auf meine Nachfrage konkretisierte es: "Ich stehe allein mitten im Raum. Und es ist kalt." Und im Kindergarten? "Im Kindergarten ist es schön, gemütlich fühlt sich das an."

Als mein Kind 12 war, hieß es, jetzt solle ich mir wieder einen festen Job suchen, es sei groß genug und könne auch allein zu Hause sein. Das bezweifle ich nicht. Ich bezweifle allerdings, dass es hilfreich gewesen wäre. Was machen Kinder, die alleine sind? Die, die mir auf diese Weise zugeraten haben, lassen ihre Kinder stundenlang an den Computer oder TV. Wenn sie es nicht erlauben, machen die Kinder es heimlich. Ich bezweifle den gehirnphysiologischen Entwicklungsnutzen solchen Verhaltens. Also habe ich mich weiter als Freie Mitarbeiterin durchgeschlagen. Meine monatlichen Kosten habe ich so runtergeschraubt, wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Es gab Unsicherheiten und Engpässe. Auf Hartz4 habe ich stets verzichtet. Es ging immer irgendwie so. Zum Glück habe ich auch meine Eltern, die mir in schwierigen Zeiten ausgeholfen haben.

Moderne Eltern - beruflich unabhängig! 
In dieser Zeit entwickelte ich die Idee vom Beruf 'Hausfrau und Mutter'. 2002 ließ ich mir eine Visitenkarte mit diesem Jobtitel drucken. Mittlerweile sehe ich ein, dass es natürlich nicht nur Frauen sind, die in solcher Weise unterstützt werden sollten. Ein Mann kann diese Rolle ebensogut ausfüllen. Sollte er auch dürfen.

Ich glaube, es ist wichtig, auch über den derzeitigen Horizont hinaus zu denken. Packen wir's an:
Positionspapier Q103: "Genderneutrale Gleichbehandlung des Berufs Hausmann und Vater/Pflegender - Hausfrau und Mutter/Pflegende mit anderen Berufen im Folgenden ‚Assistent/in für Kinderbetreuung bzw. Pflege von Hilfsbedürftigen’ genannt"

Dazu habe ich eine Kurzform eingereicht zum Bundesparteitag in Offenbach: "Genderneutrale Gleichstellung der Tätigkeit 'Hausfrau und Mutter / Hausmann und Vater' mit anderen Berufen"

Um eins klarzustellen: Ich spreche mich für eine Vielfalt an Unterbringungsmöglichkeiten aus und auch deren Verbesserung zu heutigen Standards. Krippen, Tagesmütter und -väter, Horts, Kindergärten (hier bin ich ein großer Fan der Waldorfkindergärten, weil sie im besonderen Maße Kreativität und Natürlichkeit fördern), auch Schulhorts.
Ich wünsche mir die Erweiterung des Spektrums um den Beruf 'Hausfrau und Mutter / Hausmann und Vater', weil ich weiß, dass es viele Eltern gibt, die spüren, dass die Fremdbetreuung gegen ihre Natur geht, gegen die Natur ihrer Kinder, gegen unsere Gesellschaft. Weil Fremdbetreuung im frühen Alter oftmals die Frühentwicklung von Bindung und Vertrauen bricht. Auch das beweisen wissenschaftliche Studien mittlerweile hinreichend.

Wenn ich mir unsere Kinder anschaue, den großen Teil Einzelkinder die weder Geschwister noch die Möglichkeit haben, sich an ihre Mutter oder Vater, Oma oder Opa etc zu binden, weil sie nicht da sind, weil sie Geld verdienen müssen, dann stelle ich hier die Systemfrage. Wo wollen wir hin?

Und warum wollen bestimmte Gruppen verhindern, dass die Möglichkeit geschaffen wird, in diesem modernen System Eltern zu ermöglichen eine Form auszufüllen, die für viele Kinder ein guter Weg ist. Sicher nicht für alle. So wie auch der Weg der Krippe für kleine Kinder nicht richtig ist für alle. Liegekrippen halte ich für eine Form der gesellschaftlichen Notwehr, fragen wir doch mal die Mütter, was sie lieber hätten als ihr Kind 10 Stunden dort abzugeben, weil ihnen der Job das abverlangt und sie ohne Job keine Einkünfte hätten. Es sei denn sie akzeptieren den gesellschaftlichen Sozialabstieg in Hartz4.

Ich wünsche mir Offenheit, Aufgeschlossenheit neuen Ideen gegenüber, und dass die Kritiker aufhören, mit dogmatischer Ablehnung alles herunterzustampfen, was sie als konservativ abstempeln.
Aufgeklärte, engagierte Menschen im Beruf 'Hausfrau und Mutter / Hausmann und Vater' sind eine sehr progressive Form der Erziehung. Es kommt doch auf die inhaltliche Füllung des Berufs an. Totschlagargumente wie " Könnte es sein, dass Du aus überbordendem Beschützerinstinkt Freiheit d. Kindes mit dem Bade ausschüttest? Elternegoismus" halte ich für unangemessen und unreflektiert genug, um ihnen zu widersprechen.

Natürlich kann ich solchen Einwänden wie
"Bindungsfähigkeit entsteht mit positiver sozialer Interaktion-wichtig dass die unter Kindern-nicht nur Erwachsenen stattfindet"
"du benutzt: femdbetreut, weggeben müssen, ich: förderung, spaß, spiel,gleichalte, musik und professionelle liebevolle begleitung."
"Die unter 3 Jährigen lieben Ihre Kita, haben Freunde, Aktion, Musik und Spiel- warum muss das schlechter als Familie 24h sein? ..."
freundlich entgegnen, dass ich hier nicht die Abschaffung von Kitas fordere, sondern die Entwicklung eines neuen Berufsbildes, um Eltern wieder die Möglichkeit zu geben, sich mehr in die Erziehung ihrer Kinder einzubringen. Denn das größte Argument dagegen, Geld verdienen zu müssen, fällt dann endlich weg. Auch für Menschen, die weniger geeignete Berufe ausüben, um das Überleben in der Konsumgesellschaft allein zu schaffen. Bis wir das Bedingungslose Grundeinkommen haben, mit dem dies dann auch kein Thema mehr sein muss, gehen sicher noch mehr Jahre ins Land, als uns lieb ist.

"Es geht um Qualität i.d. Betreuung- warum sollte ein prof.liebevolles Angebot grundsätzlich schlechter als Betr.in der Familie sein?" Hier stimme ich zu, natürlich ist gerade professionelle liebevolle Betreuung sehr wichtig. In einer Kita mit 120 Kindern und einem Schlüssel von 12:1 ist das aber leider nicht gegeben. Warum nur sollte Betreuung in der Familie schlechter sein? Vor allem mit den von mir formulierten geförderten Programmen. 
Engagierte Eltern auszubilden, zu begleiten und zu unterstützen ist der nächste Weg. Betreuungsgeld ist ein hilfloser Ansatz in diesem Thema, und leider noch nicht weit genug gedacht. Es geht darum, die nötige Qualität für die Kinder zu Hause zu sichern. Da gibt es viele Ansätze, die man über die Ausbildung vermitteln und durchsetzen kann. Das bedeutet dann Bildung der Eltern, die es somit besser machen können.

Ein Krippenplatz kostet ca. 600 Euro monatlich, nichtmal impliziert, dass es ein 'guter, liebevoller' Krippenplatz ist. Es gelingt der Regierung derzeit nicht, diese aufzubauen. Mit 600 Euro wäre ich damals deutlich sorgenfreier durchs Leben gegangen. Das wäre auch dem Kind zugute gekommen.